Das 13. Handelsberufungsgericht in St. Petersburg hat laut Gerichtsregister am Donnerstag die Berufungen der Strabag, von österreichischen Aktionären des Baukonzerns sowie der Raiffeisenbank Russland abgelehnt. Die erstinstanzliche Gerichtsentscheidung vom 20. Jänner 2025, wonach die Raiffeisenbank Russland mehr als zwei Milliarden Euro an den russischen Strabag-Aktionär Rasperia Trading Limited zahlen und deren Strabag-Aktien übernehmen muss, erlangt somit Rechtskraft.

Die Abweisung der Berufungen und die Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung aus Kaliningrad war zuletzt erwartet worden. Unklar war zuletzt, wer die zwei Milliarden Euro Schadenersatz tatsächlich bekommen würde. Juristen der RBI-Tochter sahen in der eingebrachten Berufung den offiziellen ehemaligen Rasperia-Besitzer Oleg Deripaska auch als aktuellen Endbegünstigten. Eine Sprecherin des russischen Oligarchen erklärte der APA jedoch wiederholt, dass Deripaska nichts mehr mit Rasperia zu tun habe.

In Österreich liegen zu den Besitzern derzeit jedenfalls keine offiziellen Angaben vor: Bereits im vergangenen Dezember hatte die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA den im russischen Kaliningrad beheimateten Rasperia-Aktionär Valtoura Holdings Limited um Aufklärung gebeten. „Valtoura Holdings Limited gibt unter Verweis auf das russische Anti-Sanktionsgesetz dazu keine Informationen heraus“, berichtete nun ein FMA-Sprecher am Donnerstag auf APA-Nachfrage.

RBI-Erfolgsrechnung „nicht belastet“

„Aufgrund dieser Gerichtsentscheidung muss die Raiffeisenbank Russland den vom russischen Gericht zugesprochenen Schadenersatz von 2,044 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen zahlen“, erklärte die RBI am Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. Durch dieses Urteil erwarte der Konzern jedoch keine zusätzlichen Belastungen auf die Erfolgsrechnung, die über eine im vierten Quartal 2024 gebuchte Rückstellung von 840 Millionen Euro hinausgehen würden. Diese Rückstellung entspreche dabei den Rasperia zugesprochenen Schadenersatz abzüglich erwarteter Erlöse aus der Vollstreckung von Ansprüchen gegen Vermögenswerte von Rasperia in Österreich.

Auf APA-Nachfrage spezifizierte ein RBI-Sprecher, dass es sich bei diesen Vermögenswerten um nicht ausgezahlte Strabag-Dividenden sowie Erlöse aus einer Kapitalherabsetzung von in Summe etwa 400 Millionen Euro und um die Strabag-Aktien selbst handle. „RBI möchte die Strabag-Aktien nicht haben und wird beantragen, dass das Gericht (in Österreich, Anm.) diese Aktien versteigert“, erläuterte er. Gegen die Gerichtsentscheidung von Donnerstag werde die russische Tochterbank nach Ausfertigung eines schriftlichen Urteils jedenfalls Berufung in der nächsten Instanz einlegen. Diese habe jedoch keine aufschiebende Wirkung für die Auszahlung des Schadensersatzes. Deshalb würde die Raiffeisenbank Russland vor Gericht auch zusätzlich den Antrag stellen, die Auszahlung für die Zeit des weiteren Berufungsverfahrens zu sistieren. Man rechne aber mit einer Ablehnung dieses Antrags und müsste dann den Schadenersatz an den Kläger überweisen.

Eine Strabag-Sprecherin kündigte am Donnerstag gegenüber der APA an, dass der Baukonzern die Begründung der Gerichtsentscheidung vom Donnerstag prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden werde. „Zu weiteren Details können wir uns aufgrund der Vertraulichkeit des Verfahrens nicht äußern“, erklärte sie.

Vorwurf illegaler EU-Sanktionen

Der im Zusammenhang mit EU-Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska im Baukonzern Strabag entmachtete Aktionär Rasperia Trading Limited hatte im vergangenen Sommer bei einem Handelsgericht in Kaliningrad Klage gegen österreichische Partner sowie die formal nicht in Beziehung zur Strabag stehende Raiffeisenbank Russland eingebracht. Der Vorwurf lautete, dass die Beklagten und die Republik Österreich illegal EU-Sanktionen gegen Rasperia angewandt hätten. Gefordert wurde zunächst eine Summe von knapp zwei Milliarden Euro, die sich in Folge leicht erhöhte.

Verlangt wurde zudem, dass die RBI-Tochterbank auch Rasperias sanktionsbedingt in der EU eingefrorene Strabag-Anteile übernehmen muss. Das Gericht gab Rasperia im Jänner 2025 recht, alle Beklagten legten Rechtsmittel ein und verhinderten damit einstweilen, dass der erstinstanzliche Richterspruch Rechtskraft erlangte. Bereits im vergangenen September war vom Kaliningrader Gericht zudem im Rahmen dieser Klage eine einstweilige Verfügung beschlossen worden, die der Raiffeisenbank Russland einstweilen jeden Eigentümerwechsel untersagt. Wiederholte Rechtsmittel der Bank gegen diese Verfügung scheiterten.

Die russische Raiffeisenbank war dabei von Rasperia nur deshalb geklagt worden, weil sie in einem Verwandtschaftsverhältnis zum Strabag-Aktionär Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien steht. Letztere ist Eigentümerin der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die ihrerseits 25 Prozent am Mutterkonzern der Raiffeisenbank Russland, RBI, hält. Da unter den Beklagten letztlich nur die RBI-Tochterbank in Russland über Vermögen verfügt, ist der Ausgang der Berufung am Donnerstag letztlich nur für die Bank von Relevanz. Für die Strabag und acht beklagte österreichische Aktionäre des Baukonzerns haben russische Richtersprüche lediglich symbolische Bedeutung, da sie in Österreich nicht bindend sind.

Deripaska als Endbegünstigter?

In ihrer Berufung, die in den letzten Tagen laut russischem Gerichtsregister noch ergänzt wurde, verwies die Raiffeisenbank Russland nach APA-Informationen auf zahlreiche fragwürdige Aspekte der Kaliningrader Gerichtsentscheidung. Darunter ist auch die vorgesehene Zwangsüberschreibung von Aktien eines Konzerns mit Sitz in Österreich, die im russischen Rechtsraum formal nicht durchzuführen ist.

Keinen Zweifel haben die Juristen der RBI-Tochter aber auch bei der Frage, wer im Fall des Falles zwei Milliarden Euro bekommen würde: Oleg Deripaska wird in der Berufung explizit als Rasperia-Endbegünstiger bezeichnet. Amtliche Belege dafür gibt es keine, eine Sprecherin des Milliardärs versicherte der APA zuletzt im Jänner, dass „Oleg Wladimirowitsch“ (Deripaska, Anm.) weder Aktien von Rasperia noch Aktien des Rasperia-Aktionärs Valtoura Holdings Limited besitze. Formal ist alles kompliziert: Nachdem Deripaska seine über Valtoura gehaltenen Anteile an Rasperia im Dezember 2023 offiziell an die Moskauer Aktiengesellschaft Iliadis abgetreten hatte, wurde dieser Deal Ende 2024 rückabgewickelt. Theoretisch könnte der Oligarch zwischenzeitlich freilich seine Anteile an Valtoura losgeworden sein.