Strafrichter Roman Weiß machte am Montag bei der Urteilsverkündung im Prozess gegen die Stiefmutter und den leiblichen Vater eines sechsjährigen Mädchens aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Wenn man sich die Videos davon anschaut, was Sie diesem herzlichen kleinen Mädchen angetan haben, kommen einem teilweise die Tränen, teilweise die Wut“, wettert er.
Mehr als ein Jahr lang haben die 49-Jährige und der 37-Jährige aus dem Bezirk Bruck-Mürzzuschlag die Sechsjährige gedemütigt, beschimpft, gequält und psychischem Druck ausgesetzt. Ins Rollen gebracht hatte den Fall die erwachsene, leibliche Tochter der Angeklagten. Nach zweieinhalb Stunden Beweisverfahren am Landesgericht Leoben fällte Richter Weiß für beide Schuldsprüche.
Bedingte und teilbedingte Haft
Für die bisher unbescholtene Stiefmutter setzte es 15 Monate bedingte Freiheitsstrafe, mit Probezeit auf drei Jahre. Zwölf Monate Haft bekam der Vater des Mädchens – davon drei Monate unbedingt. Von einem Widerruf bestehender bedingter Haftstrafen sah Richter Weiß ab. Allerdings wurde die bereits bestehende Probezeit des 37-Jährigen von drei auf fünf Jahre verlängert.
Während der Verhandlung war die Anklage gegen die 49-Jährige ausgedehnt worden: Für die versuchte Anstiftung einer Freundin zu einer falschen Zeugenaussage vor der Polizei wurde sie letztlich ebenfalls schuldig gesprochen, auch wenn sie den Vorwurf bestritten hatte.
Die beiden Angeklagten nahmen das Urteil sofort an, Staatsanwältin Stefanie Zwertnig erklärte Rechtsmittelverzicht. Das Urteil ist demnach rechtskräftig. Richter Weiß ließ keinen Zweifel aufkommen, dass er sich wünschen würde, dass der Gesetzgeber die Strafdrohung für derartige Delikte überdenken möge.
18 Videos als klarer Beweis
Beim Prozess bekannte sich die Stiefmutter weitgehend schuldig. „Das hat mich nicht überrascht. Immerhin liegen uns 18 Videos vor, die genau belegen, was geschehen ist“, meint Richter Weiß. Bis auf wenige Beispiele verzichtete er auf das Vorspielen der Videos, die die Stiefmutter selbst angefertigt hat und auf denen zu sehen und zu hören ist, was sie dem Kind angetan hat.
So wurde die Sechsjährige immer wieder zum Essen gezwungen, bis sie brechen musste. Oft musste sie sich bereits übergeben, als sie sich zu Tisch setzte. Sie wurde mit unflätigsten Schimpfwörtern bedacht, musste ihr Erbrochenes selbst auflecken. „Ich habe sie gemocht. Ich habe alles für sie getan“, behauptet die Stiefmutter auf der Anklagebank.
Mit dem „Aussetzen“ gedroht
Einmal hat sie die Kleine ins Auto gesetzt, und ihr gedroht, sie am Straßenrand auszusetzen, wo sie von der leiblichen Mutter – einem „bösen Menschen“ geholt werden würde. Jahre zuvor war die Sechsjährige der leiblichen Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls behördlich abgenommen worden.
Sie sei „überfordert“ gewesen und immer wieder unter dem Einfluss von Alkohol und Psychopharmaka gestanden: „Es tut mir leid, ich kann das nicht mehr entschuldigen“, meint die 49-Jährige. Ihr Lebensgefährte meint, er sei mit ihren „Erziehungsmethoden“ nicht einverstanden gewesen: „Aber was hätte ich denn tun sollen?“ Er sei auch sehr selten daheim gewesen, außerdem scheint er ein erhebliches Alkoholproblem gehabt zu haben.
Die Grausamkeiten, die dem Kind angetan worden sind, seien „eine Sauerei, die ihresgleichen sucht“, so Richter Weiß. Für ihn sei außer Frage, dass die Taten der Stiefmutter „einem Mord gleichkommen“ würden, auch wenn es „nicht körperlich“ sei: „Sie haben eine Kinderseele ermordet, mir graut vor Ihnen“, meint er zur 49-Jährigen.
Völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein
Auch wenn er dem Vater einen „untergeordneten Beitrag“ zur Tat beimisst, betont er: „Es wäre Ihre Pflicht als Vater gewesen, das zu unterbinden.“ Der 37-Jährige habe nichts dergleichen getan, sondern selbst noch Tathandlungen gesetzt. Bei beiden Angeklagten ortet Richter Weiß ein vollkommen fehlendes Unrechtsbewusstsein.
In einem waren sich Staatsanwältin Zwertnig und Richter Weiß einig: Dass es ein großes Glück sei, dass das Mädchen woanders gut untergebracht sei und die Stiefmutter und der Vater keinen Kontakt mehr mit ihm haben: „Jedenfalls nicht mehr unbegleitet.“