Die Kritik, man habe die Zahlen aufgrund der knappen Zeit (zwei Wochen statt eines Monats) nur oberflächlich betrachten können, ist noch das Geringste. Der Grazer Stadtrechnungshof findet nach seinem aufsehenerregenden internen Schreiben von vor zwei Jahren, dass der Stadt die akute Zahlungsunfähigkeit drohe, nun auch in einem offiziellen Bericht zum Doppelbudget 2025/26 deutliche Worte. Das Budget soll am morgigen Donnerstag im Grazer Gemeinderat beschlossen werden, am Mittwoch veröffentlichte der Rechnungshof dazu seinen Bericht – der es erneut in sich hat.
Die Stadt Graz habe trotz laufender Warnungen, Hinweise und Empfehlungen seitens des Stadtrechnungshofs bislang die Chance nachhaltiger Reformen verpasst und es wiederum versäumt, ihren Haushalt strukturell zu konsolidieren, heißt es darin. Gemeinsam mit externen Faktoren wie Steuerreform oder Rezession würden die unerledigten Hausaufgaben das wirtschaftliche Überleben der Stadt Graz bedrohen, was das vorgelegte Budget zeigen würde.
Aus der vorgelegten Mittelfristplanung 2027 bis 2030 lese man ab, dass aus derzeitiger Sicht kein ausfinanziertes Budget darstellbar sei, so der Rechnungshof, der die vom Finanzdirektor vorgeschlagene Haushaltssperre in der Höhe von 12 Millionen Euro ab 1. Jänner 2025 befürwortet, um die Liquidität zu sichern. Man sieht die Stadt am Rande der Zahlungsunfähigkeit – da diese auch den maximalen Rahmen der sogenannten „Kassenstärker“ (eine Art Überziehungsrahmen in Form kurzfristiger Kredite) auszunutzen drohe. „Sobald die Stadt Graz den Rahmen ausgeschöpft hat, steht sie still“, verdeutlicht man im Bericht.
Rechnungshof: Investitionen müssten verschoben werden
Zudem sieht man den konsolidierten Schuldenstand des Hauses Graz stark anwachsen: Rund die Hälfte der geplanten Investitionen wie Schulbauten, Straßenbahnen, Unterführungen, Küche Graz etc. muss man laut Budgetplan verschieben, um einen Schuldenstand des Hauses Graz von 2.044 Millionen Euro bis 2026 zu erreichen. Ohne diese Verschiebung würden die Schulden bis 2026 auf 2.571 Millionen Euro klettern. Somit drohe die Gefahr, dass Stadt und Haus Graz aufgrund hoher Tilgungen ihre operativen Haushalte nicht mehr bestreiten können. Bei Beteiligungen und Eigenbetrieben (Holding Graz, MCG Graz, Geriatrische Gesundheitszentren und Wohnen Graz) sei es ebenfalls dringend notwendig, erhebliche Einsparungen vorzunehmen.
Dringend erforderlich sei es jedenfalls, umgehend alle freiwilligen Leistungen der Stadt – also alle Förderungen für Kultur, Sport usw. – zu erheben, zu hinterfragen und zu reduzieren. Die Stadt müsse ein Einsparungsvolumen von nachhaltig 110 Millionen Euro pro Jahr gegenüber der derzeitigen Mittelfristplanung anstreben. Sonst sei „ein unkontrollierbarer Stillstand“ möglich, heißt es im Bericht.
Finanzstadtrat beruhigt: „Annahmen wenig realistisch“
Die Absicherung der Liquidität der Stadt sei nicht gefährdet, entgegnete Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) schon am Tag vor der Veröffentlichung des Rechnungshofberichts in einer Aussendung. Diese Einschätzung beruhe auf der Annahme, dass es weder zu Verschiebungen bei Investitionsprojekten komme noch die Ausweitung der Kassenkreditgrenzen vollzogen werde. Das sei aber wenig realistisch – „da es vor allem bei großen Investitionen erfahrungsgemäß immer wieder zu Verzögerungen kommt und die notwendige Erhöhung der Kassenkreditgrenze ein rein formaler Akt von Seiten des Landes ist“, so Eber.
Der Stadtrechnungshof würde das Budget aus einem rein technokratischen Blickwinkel bewerten. Eber dazu: „Würden diese Vorschläge umgesetzt werden, müssten wir Leistungen wie Kinderbetreuung und Bildung drastisch kürzen.“ (Anmerkung: Dazu findet sich nichts im Stadtrechungshofbericht.) Und auch die medial viel diskutierten Sport- und Kulturförderungen müssten nach Ermessen des Stadtrechnungshofs komplett gestrichen werden, so der Stadtrat, der meint: „Das hätte fatale Auswirkungen auf die Stadt und ist nicht im Sinne der Bevölkerung.“ Politik habe die Aufgabe, finanzielle Stabilität und gesellschaftliche Verantwortung in Einklang zu bringen. Die Entscheidungen der Koalition würden sich „natürlich auch an Zahlen“ orientieren, „aber noch vielmehr an der Verantwortung, die wir gegenüber den Grazerinnen und Grazern haben.“
Wie man in einer Aussendung betonte, würde die Rathauskoalition zentrale Leistungen wie Kinderbetreuung, Soziales, Wohnen, Sport und Kultur sichern, ohne die Liquidität aus den Augen zu verlieren. „Das Doppelbudget 2025/26 zeigt, dass Graz stabil durch die Rezession geht und gezielt in die Zukunft investiert.“
Oppositionskritik: „Kurs auf Frontalkollision“
Für KFG-Klubobmann Alexis Pascuttini hat die Koalition „kein Einnahmen-, sondern definitiv ein Ausgabenproblem“ und nennt den Radweg in der St.-Peter-Hauptstraße (430.000 Euro) und das Fest zur Eröffnung des Neutorviertels (200.000 Euro) als Beispiele. Aus dem Bericht gehe aber auch deutlich hervor, dass schon seit 2013 schwere Fehler gemacht wurden. „Leider hat die KPÖ-geführte Regierungskoalition in den letzten Jahren weiter die Augen vor den Problemen verschlossen“, so Pascuttini, der eine parteiübergreifende Lösungsstrategie fordert, „um die Stadt Graz aus dieser finanziellen Misere hinauszumanövrieren“.
Für NEOS-Chef Philipp Pointner, auch Obmann des Kontrollausschusses, setzt „die rot-grün-rote Stadtregierung den Kurs wieder auf Frontalkollision“. Schulden würden zukünftigen Generationen einfach umgehängt und in puncto Liquidität rufe man schon jetzt das Land zur Rettung herbei – dabei sei die Anhebung der „Kassenstärker“ alles andere als ein Formalakt. , kritisiert Pointner ein „desaströses Weiter-wie-bisher-Budget“ und fordert deshalb auch den Rücktritt des Finanzstadtrates. Graz brauche jetzt eine Finanzstadträtin bzw. einen Finanzstadtrat, „der oder die begreift, in welcher Notlage sich die Stadt befindet“.
Und seitens der ÖVP spricht Markus Huber von einem „verheerenden“ Bericht des Rechnungshofs. „Er bestätigt unsere Kritik und vor allem unsere Bedenken, die wir als Grazer Volkspartei zur Finanzpolitik der KPÖ immer hatten. Einmal mehr bewahrheitet sich, dass Kommunisten nicht wirtschaften können und sie mit ihrer Finanzpolitik unsere Stadt nachhaltig schädigen.“