Eine Handvoll Polizisten steht gegenüber der Schule. Im ersten Moment kommen bei dem Anblick Erinnerungen an den 10. Juni hoch. Erst zweieinhalb Monate ist es her, dass an diesem Tag ein Amokläufer im Borg Dreierschützengasse in Graz ein Blutbad angerichtet hat. Neun Schülerinnen und Schüler als auch eine Lehrerin erschoss der Attentäter, schlussendlich dann sich selbst.

Erst Schock, jetzt Wunsch nach Reformen

Die steirische Landeshauptstadt wurde in einen Schockzustand versetzt. In jedem Gespräch war der Amoklauf Thema, Veranstaltungen wurden abgesagt. Inzwischen finden Events wieder statt, die schwarze Fahne am Rathaus weht nicht mehr. Doch hier direkt vor der Schule erinnern Fotos der Opfer, Zeichnungen und Kerzen an die Tragödie, als ob es gestern war. Eine Passantin bleibt stehen, Tränen sammeln sich in ihren Augen. Hier an diesem Ort wird spürbar, wie der 10. Juni Leben beendet und Leben verändert hat. So etwa das von Dominik Egger.

Seine Tochter besucht das Borg und war am Tag der Amoktat krankgeschrieben. „Es hätte meine Tochter treffen können“, sagt er. „Aus dem Schock, der da entstanden ist, habe ich gemerkt, ich kann jetzt nicht mehr anders. Ich muss etwas tun“, erklärt Egger, der selbst als Schulassistent tätig war und sich immer schon mit Bildungsthemen beschäftigt hat.

Eine Million Unterschriften als Ziel

Er hat eine Petition gestartet, bisher hat diese über 45.000 Unterschriften zusammengebracht. Die Ideen: Seelische Bildung als Pflichtfach, niederschwellige psychologische Strukturen für jede Schule, klare Regeln für digitale Plattformen. „Die Betreiber müssen hier in die Pflicht genommen werden“, fordert Egger.

Graz am 24.08.2025, BORG Dreierschützengasse, Pressekonferenz, Eltern, Amoklauf
Stofftiere, Kerzen und Zeichnungen liegen vor der Schule © Klz / Nicolas Galani

Bis zum 3. September setzt sich Egger ein ambitioniertes Ziel: eine Million Unterschriften. Nur wenn er diese erreicht, will er die Petition in Wien dem Bundeskanzler überreichen. Dafür macht er sich ab heute mit Unterstützern auf den Weg. Um 8 Uhr am Sonntag begann der Marsch von Graz nach Wien, rund 230 Kilometer sollen bis 3. September zurückgelegt werden.

Jährlicher Marsch zum Gedenken

Rund ein Dutzend Personen in Wanderkleidung und Rucksack ist erschienen. Egger kann seine Enttäuschung nicht ganz verbergen, er hatte mit 30 bis 50 Personen gerechnet. „Aber ich hoffe, dass es bis zu unserer letzten Station am Heldenplatz in Wien noch ganz viele mehr werden.“ Den Marsch will Egger jährlich wiederholen – zum Gedenken.

Graz am 24.08.2025, BORG Dreierschützengasse, Pressekonferenz, Eltern, Amoklauf
Um 8 Uhr am 24. August marschierten die Aktivisten vor der Schule los © Klz/Nicolas Galani

„Schülern muss man wieder mehr zuhören“

Renate Zirkl, Pädagogin und Mutter, ist eine Unterstützerin, die heute erschienen ist: „Ich habe das Gefühl, dass wir als Pädagogen es nicht mehr schaffen, unsere Jugendlichen zu unterstützen. Ich gehe heute mit, weil sich Dinge in unserer Gesellschaft ändern müssen, damit so etwas Schreckliches nicht mehr passiert.“

Graz am 24.08.2025, BORG Dreierschützengasse, Pressekonferenz, Eltern, Amoklauf
Marschieren beide ein Stück des Weges mit: Renate Zirkl (l.) und Ilse Gerersdorfer © Klz / Nicolas Galani

Auch Ilse Gerersdorfer wandert heute bis nach Frohnleiten mit. „Ich gehe mit aus Solidarität für die Kinder und Eltern. Ich bin sehr betroffen und möchte ein Zeichen setzen, damit etwas in Bewegung kommt“, sagt die Sozialpädagogin. Sie wünscht sich, dass Schülerinnen und Schülern mehr Gehör geschenkt wird, „man muss sie ernst nehmen“.

Der Vater eines getöteten Kindes schaut auch kurz vorbei. Mit zittriger Stimme sagt er zur Kleinen Zeitung: „Unsere Schulen brauchen mehr Sicherheit, und ein Waffenverbot muss sofort her!“

Pläne für die Schule

Für das Borg Dreierschützengasse wird die Sicherheitslage im nächsten Schuljahr definitiv erhöht. Der Schulstart soll mit Polizeipräsenz erfolgen, das hätten sich die Schüler so gewünscht, heißt es von der Bildungsdirektion. Die Rückkehr an die Stammschule wird erst 2026 erfolgen. Zwischenzeitlich weicht man, wie berichtet, an den Ersatzstandort aus, zwei Etagen in einem von der AVL angemieteten Gebäude hinter der Listhalle.

Graz am 24.08.2025, BORG Dreierschützengasse, Pressekonferenz, Eltern, Amoklauf
Im nächsten Schuljahr werden in der Stammschule nur Physik, Turnen, BE oder Musik abgehalten – Räumlichkeiten, die vom Amoklauf nicht betroffen waren © Klz/Nicolas Galani

In der Stammschule will man umbauen, etwa Fußböden und Möbel austauschen und vor allem jene Orte umgestalten, wo Kinder zu Tode gekommen sind. Der Feldbücher Künstler Andreas Stern ist maßgeblich an der Neugestaltung beteiligt.