„Wie soll das in Zukunft an dieser Schule weitergehen“, fragen uns Eltern, deren Kinder die furchtbare Schießerei am Borg Dreierschützengasse Anfang Juni hautnah erlebt und dort Freunde verloren haben. Grundtenor: „Ist die Sicherheit nicht gewährleistet, können wir die Kinder doch nicht mehr in diese Schule schicken.“ Security-Personal am Eingang? Ein Zugangssystem, das nur Befugten Zutritt zum Gebäude gewährt? Irgendetwas müsse man sich einfallen lassen.

Am Vormittag des 10. Juni betrat der 21-jährige Täter, selbst Schulabbrecher am Borg Dreierschützengasse, das Schulgebäude ungehindert durch die unversperrten Türen. Die Tragödie nahm ihren Lauf. Der Kalsdorfer erschoss neun Schülerinnen und Schüler, eine Lehrerin und nahm sich selbst das Leben. Der Schockzustand bei den Familien, an der Schule, die Trauer halten an. Doch die Zeit drängt, das Ferienende naht. Bildungsdirektion, Schulleitung, Eltern- und Schülervertreter arbeiten in regelmäßigen Treffen am Weg zurück zu einer Art Normalität.

Chip-System für Zutritt am Ersatzstandort

Fixiert ist nun: Zur Rückkehr des Borg an das Stammhaus in der Dreierschützengasse wird es im nächsten Schuljahr wohl gar nicht kommen. Zuvor müssen in Ruhe der Umbau und die Umgestaltung des Gebäudes erfolgen. Auch gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen werden in dieser Arbeitsgruppe diskutiert. Am Ersatzstandort, zwei Etagen in einem von der AVL angemieteten Gebäude hinter der Listhalle, gibt es im nächsten Jahr ein bestehendes Zutrittssystem. Nur Schulangehörige mit einem eigenen Chip kommen bei den zwei Türen hinein. „Auch das ist eine der diskutierten Varianten“, die man beim Borg in der Dreierschützengasse im Zuge des Umbaus installieren könnte, bestätigt Bernhard Just, Präsidialleiter in der Bildungsdirektion. Eine Entscheidung über das künftige Sicherheitskonzept sei aber erst im Einvernehmen zu treffen.

Bernhard Just, Peäsidialchef Bildungsdirektion Steiermark
Bernhard Just, Präsidialchef Bildungsdirektion Steiermark © Bildungsdirektion Steiermark

Ebenfalls klar ist: Die beiden Klassenzimmer, die zu Tatorten der tödlichen Schießerei geworden sind, werden im Zuge des Umbaus endgültig aufgelassen und durch Mauerdurchbrüche Teil der Allgemeinflächen. So sieht es der Vorschlag des planenden Architekten vor. Benötigte neue Klassenräume sollen entweder im Bereich des EDV-Saals und der Bibliothek oder – unwahrscheinlicher, weil kosten- und zeitintensiver – durch einen Zubau realisiert werden. Die Umgestaltung des rund 25 Jahre alten Baus kommt einer (ein wenig verfrühten) Generalsanierung gleich: Wände und Böden sollen erneuert werden, das künstlerische Farbkonzept gemeinsam mit Schülern erarbeitet werden. Die Architektenvorschläge sind in der Arbeitsgruppe einhellig für gut befunden worden, heißt es in der Bildungsdirektion.

In diesem Gebäude hinter der Listhalle wird das Borg Dreierschützengasse im nächsten Schuljahr untergebracht sein
In diesem Gebäude hinter der Listhalle wird das Borg Dreierschützengasse im nächsten Schuljahr untergebracht sein © KK

Leitender Schulpsychologe in heißer Phase pensioniert

Was hinter den Kulissen der Borg-Tragödie für Irritationen sorgt: Josef Zollneritsch, langjähriger Leiter der Schulpsychologie in der Bildungsdirektion, der auch in der Betreuung im Fall Dreierschützengasse die Fäden gezogen hat, ist mit Ende Juli in der kritischen Phase vor dem neuen Schuljahr in Pension gegangen. Er zeigt sich über die Umstände selbst verwundert: „Das war mein offizielles Pensionsantrittsdatum. Aber es hat vor meinem Urlaub Mitte Juli Signale gegeben, dass ich die Arbeit mit der Dreierschützengasse noch zu Ende begleiten soll. Nach meinem Urlaub war davon aber keine Rede mehr und ich musste meine Sachen packen.“

Nunmehr ist Josef Zollneritsch als Leiter der Schulpsychologie pensioniert
Nunmehr ist Josef Zollneritsch als Leiter der Schulpsychologie pensioniert © Jürgen Fuchs

Präsidialleiter Just sieht das nüchtern: „Es gab Zollneritschs Angebot hier noch weiterzumachen, aber das Bildungsministerium hat sich gegen diese Verlängerung per Sondervertrag entschieden.“ Das sei in Absprache mit den Eltern erfolgt, die heiklen Agenden zieht aktuell Martin Netzer, der Generalsekretär im Bildungsministerium, selbst. Zollneritschs Nachfolge ist geregelt, der Job war schon ausgeschrieben: „Wahrscheinlich wird die Leiterstelle ab September nachbesetzt“, so Just. Zollneritsch selbst wird im September mit einer 50-Prozent-Verpflichtung als Schulpsychologe bei den Ursulinen in Graz beginnen: „Darauf freue ich mich schon sehr.“

Vater meldet Vorwürfe gegen Schule der Staatsanwaltschaft

Für Aufregung sorgten gestern auch Vorwürfe (ehemaliger) Borg-Schüler, die ein Vater bei der Staatsanwaltschaft deponiert und per Aussendung öffentlich gemacht hat. Unter anderem geht es um ein Handy-Video einer Schülerin, das einen Lehrer-Übergriff auf einen Schüler zeige. Statt zur Sanktion gegen den Pädagogen sei es zur Einschüchterung dieser Schülerin durch die Direktion gekommen. Die Bildungsdirektion weist die Vorwürfe zurück. Alles sei dienstrechtlich geprüft und ausgeräumt worden.

Der Vater, der die Schule nun öffentlich anprangert, ist Dominik Egger, der im Juni eine Petition für grundlegende Änderungen im österreichischen Schulsystem gestartet hat. 44.900 Unterschriften sind bis Mitte Juli zusammengekommen. Er und andere Unterstützer wollen diese dem Parlament überreichen. Dafür haben sie sich etwas Spezielles überlegt. Am 24. August ist Treffpunkt vor der Schule, dann will man 215 Kilometer gemeinsam bis 3. September nach Wien marschieren.