Mikroplastik ist überall: Welche Auswirkungen es auf den menschlichen Körper und unsere Gesundheit haben kann, erforscht die Wissenschaft allerdings erst Schritt für Schritt. Einen weiteren Baustein liefern nun Forschende aus China: Sie konnten zeigen, dass Mikroplastik bei Mäusen dazu führt, dass sich Immunzellen im Gehirn ansammeln und so kleine Gefäße verstopfen. In der Folge kann es zu neurologischen Einschränkungen wie Problemen bei der Koordination, motorischen Störungen und Defiziten beim Gedächtnis. Die Studie wurde im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht.
Dass die mikroskopisch kleinen Plastikteilchen innerhalb kürzester Zeit ins Gehirn gelangen können, haben Forscher rund um den österreichischen Pathologen Lukas Kenner bereits im Jahr 2023 gezeigt. Dazu tarnen sich die Mikroplastik-Partikel mit körpereigenen Lipiden und überwinden so die Blut-Hirn-Schranke. Innerhalb von zwei Stunden nach Aufnahme waren die Partikel im Gehirn der untersuchten Mäuse nachweisbar. Was genau die Partikel dort, nämlich im Gehirn anrichten, ist bisher noch nicht geklärt.
Gestörter Blutfluss durch Plastik-Partikel
Nun haben Forschende aus China diesen Zusammenhang in Mäusen untersucht. Dazu haben sie Mikroplastikpartikel fluoreszenzmarkiert, welche sie dann als Signal unter dem Mikroskop in den lebenden Mäusen nachweisen konnten. Gut zwei Stunden, nachdem die Mäuse Wasser mit Mikroplastik getrunken hatten, konnte das Signal in ihren Hirngefäßen nachgewiesen werden und nach drei Stunden in Blutzellen in Hirngefäßen. Die Forschenden identifizierten diese Zellen als Neutrophile und Makrophagen – Immunzellen, die Partikel aufnehmen können, auch Fresszellen genannt.
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Nach direkter Injektion der Partikel ins Blut konnten die Forschenden beobachten, dass die Immunzellen Blutgefäße in der Hirnrinde verstopften – manche davon noch sieben Tage später. Der Blutfluss in einigen Hirngebieten war besonders in kleineren Gefäßen reduziert. In Folgeuntersuchungen zeigten die Mäuse der Mikroplastik-Gruppe sechs Stunden nach der Injektion stärkere Defizite bezüglich motorischer Funktionen, der Koordination und des Arbeitsgedächtnisses als die Vergleichsgruppe. Nach sieben Tagen war der Unterschied nicht mehr signifikant und nach 28 Tagen war die Hirngefäß-Verstopfung nicht mehr nachweisbar.
Bedeutung für den Menschen fraglich
Doch was bedeuten diese Erkenntnisse nun für den Menschen? Unabhängige Forscher, die die Studie beurteilt haben, sagen: Prinzipiell ist das Szenario plausibel, wenn auch die Plastikaufnahme nicht der beim Menschen entspricht. So kommentiert Verena Kopatz vom Institut für Pathologie der MedUni Wien: „Akut würde ich für den Menschen aufgrund dieser Studie keine ,Bedrohung‘ sehen, da die Mikroplastik-Dosen sehr hoch sind und direkt ins Blut verabreicht wurden.“ Im menschlichen Körper passiert die Aufnahme allerdings vor allem über den Darm – die Darmbarriere verhindert, dass große Plastikpartikel in den Körper gelangen.
Der beschriebene Effekt der „verstopften“ Gefäße besteht aber vor allem bei großen Partikeln und hohen Dosen. Anders könnte das aber bei Menschen sein, die an entzündlichen Darmerkrankungen oder Tumoren leiden und deren Darmbarriere dadurch durchlässiger für große Partikel ist. „Das und vor allem die noch unbekannten Langzeitfolgen einer chronischen Plastikexposition sollten daher kritisch hinterfragt und erforscht werden“, sagt Kopatz.
Karsten Grote, Kardiologe am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, sagt: „Langzeitschäden, wie Schlaganfälle, werden in der Studie an den Mäusen nicht untersucht. Der Zusammenhang liegt aber auf der Hand und ist auch beim Menschen nicht unrealistisch.“ Er gibt aber auch zu bedenken: „Mikroplastik tritt nicht alleine auf, sondern immer im Kontext mit anderen Substanzen, zum Beispiel Weichmachern oder mit zahlreichen Anhaftungen. Mikroplastik ist zudem Teil des Feinstaubs und dazu gibt es bereits seit langem Studien, die einen negativen Einfluss auf beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolische Erkrankungen und Tumorerkrankungen festgestellt haben.“
Bis die Forschung handfeste Erkenntnisse dazu hat, welche Schäden Mikroplastik im menschlichen Körper anrichtet, sind wir alle Teil eines globalen Feldversuches.