Die Aufreger werden in nächster Zeit nicht ausbleiben, dafür sorgt das Arbeitsübereinkommen von FPÖ und ÖVP in der Steiermark. So will man im Bildungssektor ein paar Dinge umkrempeln, wie Deutsch in den Pausenhöfen einführen (ob und wie das möglich sein soll, ist noch unklar) oder das lange diskutierte Handyverbot nun umsetzen. Aber auch Familien, die Kinder mit Beeinträchtigung haben, werden mit Änderungen konfrontiert.
Wortwörtlich steht im Regierungspapier unter dem Kapitel Bildung ein „Bekenntnis zu Sonderschulen“. Dabei handelt es sich „um das Festhalten an der Wahlfreiheit für Eltern, welche Schulform für ihr Kind und für die Bedürfnisse des Kindes am besten geeignet ist“, sagt der neue Bildungslandesrat Stefan Hermann (FPÖ) zur Kleinen Zeitung.
Kritik von Behindertenanwalt und Lebenshilfe
Doch so trivial sieht Behindertenanwalt Siegfried Suppan das nicht: „In den letzten Jahren gab es deutliche Verbesserungen und Sonderschulen wurden zugesperrt. Wenn man sich jetzt dazu bekennt, diese auszubauen, geht das in eine Richtung, in die es nicht gehen sollte.“ Dieses Vorhaben würde der UN-Behindertenrechtskonvention widersprechen.
Auch Sandra Walla-Trippl, Generalsekretärin der Lebenshilfe Steiermark, meint: „Eine gemeinsame Bildung steht in der UN-Konvention, zu der wir uns 2008 bekannt haben. Sonderschulen sind eine Separierung, Kinder müssen von und miteinander lernen, nur so schaffen wir die Basis für eine inklusive Gesellschaft.“
Tatsächlich hat Österreich vor 16 Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben. Damit hat sich das Land verpflichtet, niemanden wegen Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem auszuschließen. Ein unabhängiger Monitoringausschuss ortet in Österreich dahingehend immer wieder Versäumnisse, zuletzt sogar Rückschritte. Konkret ist von einer „Verletzung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen im Bereich Bildung“ die Rede.
Appell zu Inklusion statt Exklusion
Wenn man betroffene Kinder von Beginn an von anderen Kindern trennt, würde das auf lange Sicht zu „Exklusion“ führen, zeigt sich Behindertenanwalt Suppan besorgt. „Unsere Forderung sind inklusive Bildungszentren, die barrierefrei sind, mit angepassten Lehrplänen und computergestützter Kommunikation“, sagt Walla-Trippl. Sie gibt zu, dass das momentane Schulsystem „natürlich“ Lücken in der inklusiven Bildung habe, weil es an entsprechenden Pädagoginnen und Pädagogen mangle, an barrierefreien Räumlichkeiten, „viele Komponenten kommen zusammen“.
Die Generalsekretärin plädiert dafür, dass inklusive Bildung verpflichtend in die allgemeine Pädagogik-Ausbildung integriert wird, um mehr Verständnis zu erzeugen. „Im Idealfall schaffen wir alles in einer Schule gemeinsam.“ Suppan zeigt sich vor allem verärgert darüber, dass vor Erscheinen des Regierungspapiers niemand aus der neuen Koalition das Gespräch mit den verantwortlichen Behindertenvertreterinnen und -vertretern gesucht habe.
Landesrat reagiert
Auf diese Kritik hin reagiert Landesrat Hermann: „Meine Hand ist gegenüber allen Interessensvertretungen ausgestreckt, erste Telefonate mit Vereinen und Interessensvertretungen haben bereits stattgefunden.“ Walla-Trippl bestätigte Freitagnachmittag ein erstes Telefonat. Rechtlich kann das Land Sonderschulen jedenfalls forcieren, 24 gibt es noch in der Steiermark.