Es hätte ein Familienurlaub am Meer werden sollen, doch dieser endete für die Familie Weyringer-Höflechner auf der Intensivstation der Kinderklinik: Ihr Sohn Jakob, damals noch kein Jahr alt, hatte nicht nur einen starken Husten, sondern auch ein ständiges Durstgefühl. „Er konnte gar nicht mehr schlafen, weil er ständig durstig war“, erinnert sich Stephanie Weyringer-Höflechner.
Am Weinen ihres Sohnes erkannte die Mutter: Das ist ernst. Die Familie fuhr zurück nach Graz, direkt auf die LKH-Kinderklinik. Dort erfuhren sie dann die Hiobsbotschaft: Der Blutzuckerwert ihres Sohnes, der bei einem gesunden Kind zwischen 80 und 120 mg/dl liegen sollte, lag bei 600, es ging direkt auf die Intensivstation. Dann die Diagnose: Ihr Sohn hat Diabetes Typ 1, er ist zuckerkrank – und diese Erkrankung geht nicht mehr weg. „Das war ein totaler Schock“, erinnert sich Vater Bernd Höflechner – denn von diesem Tag an war für die Familie nichts mehr wie davor.
Zwei Wochen lang blieb Jakob mit seinen Eltern auf der Kinderklinik, denn die Familie musste lernen, mit der Erkrankung Diabetes zu leben. Da Jakobs Körper den Zucker, den er über die Nahrung zu sich nimmt, selbst nicht verwerten kann, trägt er rund um die Uhr eine Insulinpumpe am Körper. Aber nicht nur das: Über einen Sensor am Oberarm wird auch ständig sein Zuckerspiegel gemessen. Zu diesem System, das sich Hybrid-Closed-Loop-System nennt, gehört auch eine App, die berechnet, wie viel Insulin in den Körper abgegeben werden muss.
Rechnen, das müssen die Eltern aber auch selbst: Jede Mahlzeit, jeder kleine Snack, jedes Stück Apfel oder Schokolade, das Jakob isst, muss von den Eltern in die notwendige Dosis Insulin umgerechnet werden – diese muss „händisch“ über die Pumpe abgegeben werden. „Wir haben immer eine Handwaage dabei, um jede Mahlzeit zu wiegen“, erklärt Mutter Stephanie. Die Waage ist nur ein Bestandteil von Jakobs Notfallbox, die immer dort ist, wo Jakob ist: In dieser Box sind außerdem ein Ersatzkatheter für die Pumpe, ein Ersatzsensor, das Blutzuckermessgerät, um die Sensormessung zu kontrollieren, und für den Notfall einer Unterzuckerung Traubenzucker und Müsliriegel, sowie Desinfektionsmittel.
Heute ist Jakob zweieinhalb Jahre alt, eine gewisse Routine hat sich eingestellt, aber: „Wir haben nie Pause von der Erkrankung“, sagt Mama Stephanie, „wir sind ständig im Bereitschaftsmodus.“ Jederzeit kann es zu einem gefährlichen Über- oder Unterzucker kommen. Und Papa Bernd ergänzt: „Und da sind tausend Fragen, tausend kritische Situationen, und der Diabetes gibt einfach nie Ruhe.“ Nicht nur Mahlzeiten, auch große Gefühle wie Freude oder Aufregung sowie wildes Herumtoben beeinflussen den Blutzuckerspiegel.
Nach den zwei Wochen Einschulung im Krankenhaus ging es für die Familie nach Hause – mit all den neuen Gerätschaften, entlassen in ein neues Leben. Doch sie waren nicht allein. „Beim ersten Mal Kathetersetzen für die Insulinpumpe war zum Glück Lisa dabei“, erinnert sich Mama Stephanie. „Die Lisa“ ist Elisabeth Renner, geschäftsführende Obfrau von Moki Steiermark, dem Verein für mobile Kinderkrankenpflege: Gemeinsam mit Elke Fröhlich-Reiterer, die den Bereich Diabetes an der LKH-Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz leitet, hat sie die mobile Betreuung von Kindern mit Diabetes in der Steiermark ins Leben gerufen. „Das ist wirklich unser Herzensprojekt“, sagen Fröhlich-Reiterer und Renner, denn durch die mobile Betreuung schließe sich die Lücke zwischen Krankenhaus und Zuhause. So sei es möglich, Familien im Alltag zu Hause zu unterstützen – aber die diplomierten Kinderkrankenpflegerinnen mit Spezialausbildung zur Diabetesberaterin gehen auch in Schulen und Kindergärten, schulen Pädagogen oder Großeltern, um das Netz um ein Kind mit Diabetes Typ 1 stark und sicherzumachen.
Sieben Jahre wurde die mobile Betreuung „DiAB Kids“ von Moki Steiermark allein über Spenden finanziert, seit 2024 ist es nun im Status eines Pilotprojekts: „Wir müssen jedes Jahr um die Finanzierung zittern, dabei entlastet die Betreuung die Spitäler und kostet auch nicht viel“, sagt Elisabeth Renner. Der große Wunsch wäre, in die Regelfinanzierung zu kommen. Österreichweit gibt es nur in Wien eine ähnliche mobile Betreuung für Kinder mit Diabetes. „Dieses Projekt ist echte Vorsorge“, sagt Fröhlich-Reiterer: „Wir verhindern akute Komplikationen, wir verhindern Spätfolgen. Und wir wissen: Haben Familien einen guten Start im Umgang mit der Erkrankung, dann läuft es auch im weiteren Verlauf gut.“
Schulung in der Kinderkrippe
Für die Familie Weyringer-Höflechner war die mobile Betreuung ein wahrer Segen: So habe die Diabetes-Schulung der Pädagoginnen in Jakobs Kinderkrippe es möglich gemacht, dass ihr Sohn zumindest für ein paar Stunden dorthin gehen kann. Und auch die Großeltern sind geschult im Umgang mit all den Gerätschaften und können den Eltern so ab und zu ein paar „freie“ Stunden zu zweit ermöglichen.
Neben dem Netz an Unterstützung richten sich die Eltern auch an großen Vorbildern auf: Tennis-Superstar Alexander Zverev ist Diabetiker. „Das zeigt mir: Mein Sohn kann wirklich alles werden, trotz und mit seiner Krankheit“, sagt Papa Bernd Höflechner. Und auch Diabetes-Spezialistin Fröhlich-Reiterer unterstreicht: „Unsere Kinder mit Diabetes sollen durch ihre Krankheit keine Außenseiter werden, sondern normal aufwachsen.“