Mitunter ist der vierte Platz der undankbarste. Manchmal aber kann auch der Vierte sich wie ein Sieger fühlen. Christof Innerhofer ist so ein Fall – denn an sich ist sein vierter Platz beinahe ein Wunder. Warum? Vor drei Wochen steckte sich der 36-Jährige beim Mannschaftstraining in Bormio mit dem Coronavirus an. „Es war eine schwierige Zeit. Man weiß nicht, wie lange man eingesperrt ist, die Vorhänge am Fenster werden zu Gefängnisgittern. Irgendwann hätte ich gar keine Tabletten für den Körper mehr gebraucht, sondern für den Kopf.“

Einen um den anderen Tag „wurschtelte“ Innerhofer herum: „Frühstück, Dehnen, 20 Minuten in den Strohhalm blasen, weil das der Lunge guttun soll, radeln, kochen, rasten, wieder in den Strohhalm blasen, Bauchmuskeltraining, Dehnen, Abendessen, Couch – immer dasselbe. Eine Katastrophe, wenn du es gewohnt bist, draußen Sport zu betreiben.“

14 Tage lang dauerte die strenge Quarantäne, erst nach drei negativen Testergebnissen darf man wieder in den Skizirkus zurück. „Ich habe lange nicht daran geglaubt. Aber am Dienstag habe ich mich dann gut genug gefühlt, war Ski fahren und habe einen Leistungstest gemacht – und war am Mittwoch fix und fertig.“ Stefano Pioli, Trainer des AC Milan, bestätigte dem Südtiroler, dass es seinen Spielern nach Corona ähnlich ergangen sei: „Die, die zurückkamen, waren genau so K. o. wie ich. Man erkennt erst, wie schlecht es einem geht, wenn man Leistung bringen muss. Man erholt sich nicht mehr, hat Mühe mit der Luft, weil es die Lunge nicht mehr gewöhnt ist.“

Ein paar Nationen waren gegen Innerhofers Antreten

Dass „ein, zwei Nationen“ dagegen waren, dass er in den Weltcup zurück darf, „nehme ich nicht persönlich“. Verstehen kann er es nicht: „Man hat bei mir ja mit jedem Test gesehen, wie die Virenlast abnimmt. Ich bin der sicherste am Berg, ausgestattet mit Antikörpern. Den, der dagegen war, begrüßte er besonders herzlich, erzählt Innerhofer, „Hoi! Freut mich, dich zu sehen“, hab’ ich gesagt, „komm’ her, lass dich umarmen. Da hat er ein wenig lustig geschaut.“

Doch Innerhofer kam ohne weitere Vorbereitung nach Kitzbühel, fuhr das zweite Training („Aber aus Vorsicht habe ich die Hocke höher angelegt, ich wusste ja nicht, wann mir die Kraft ausgeht“), belegte im ersten Rennen Rang 22. Und setzte sich dann hin. „Man muss jeden Tag aufs Neue glauben, wenn man ein Athlet ist. Tust du das nicht, brauchst du nicht zu starten. Selbst, wenn man weiß, dass es zäh ist, dass man sich nicht zu hundert Prozent gut fühlt. Denn sobald du zurückziehst, nachgibst, hast du verloren. Deshalb ist es wichtig, es immer schnell zu probieren, immer aufs Neue. Auch, wenn man eine auf den Deckel bekommt.“

Angst vor Corona

Innerhofer wollte in der zweiten Abfahrt keine mehr auf den Deckel bekommen, „es ging um viel. Um Punkte, um die guten Startnummern.“ Also justierte er neu: „Christof, hab ich mir gedacht, hör auf an Corona zu denken. Daran, dass du nicht fit und krank bist. Du musst dich wieder als Athlet sehen, wie alle anderen hier. Und du musst einen Gang raufschalten, sonst wird es kritisch.“

Innerhofer schaltete und fuhr – fast wie in alten Tagen. Platz vier fühlte sich auch für ihn wie ein Sieg an: „Ich hab’ mir schon überlegt, ob ich Beat frage, ob er mir nicht die goldene Gams ein paar Tage leiht. Er hat eh zwei, für mich wäre es gut“, sagt er lachend.

Das Lachen vergeht ihm aber, wenn man ihn auf das Virus anspricht. „Ehrlich? Ich habe jetzt hundert Mal mehr Angst als davor. Ich habe selbst erlebt, dass es nicht nur eine einfache Grippe ist. Es kann dich ziemlich erwischen; und oft ist nicht einmal extremes Aufpassen genug. Man versteht besser, wie schlimm das alles ist.“

Seine Sorge: „Das wird sich auch länger nicht ändern“, sagt der Mann aus Gais und übt Kritik: „Die Industriestaaten haben sich 90 Prozent der Impfstoffe gesichert – bei 13 Prozent der Weltbevölkerung. Die Armen kommen frühestens 2023 zu Impfungen. Da fragt man sich: Geht es hier ums Business? Oder die Gesundheit?“