Man könnte meinen, Sie hätten alles:  Geld, eine Skifirma, viele Projekte – und doch wollen Sie Präsident des Welt-Skiverbandes FIS werden. Warum denn das bitte?

JOHAN ELIASCH: Ich liebe den Wintersport! Und ich bin ja selbst mein ganzes Leben Ski gefahren. Ich habe und hatte ein großes Team bei meiner Firma. Daher glaube ich: Wintersport sollte weltweit wahrgenommen werden wie die Formel 1 oder Tennis. Winter- und Skisport muss besser erkennbar sein, es braucht mehr Öffentlichkeit.

Woran fehlt es denn?

JOHAN ELIASCH:Zuerst: Ich denke, dass die FIS einen großartigen Job macht. Präsident Gianfranco Kasper hat die FIS dahin gebracht, wo sie heute ist: Und sie gehört im Organisieren von Events zu den weltbesten. Überlegen Sie nur: 52 Prozent aller Olympia-Medaillen im Winter gehen an FIS-Disziplinen. Das sagt viel.

Was wollen Sie dann zusätzlich einbringen?

JOHAN ELIASCH: Unterhaltung, Marketing, neue Formate, mehr weltweite Reichweite – alles Initiativen, die mehr Geld bringen sollen, das wiederum in den Sport und seine Entwicklung, sein Wachstum investiert wird. Es muss möglich sein, dass der Skisport weltweit von mehr Menschen im TV gesehen wird.

Es gibt aber leider nicht überall Schnee und Winter ...

JOHAN ELIASCH: Das stimmt.  Aber nehmen wir Großbritannien, eine der größten Skinationen mit vielen, vielen Touristen. Und was haben wir? Ein paar Mattenpisten rund um London und einige kleine Skigebiete in Schottland, wo nur wenige hinfahren. Trotzdem lieben viele Skisport! Der „Ski Sunday“ auf BBC war einst sehr beliebt.

Es geht also darum, neue Märkte zu erobern?

JOHAN ELIASCH: In den Kernmärkten wie Österreich wird es kein großes Wachstum mehr geben – aber sie werden Kernmärkte bleiben. Asien, Osteuropa, Russland, selbst Südamerika – da ist Wachstumspotenzial. Und 2022 haben wir Olympia in Peking, eine wirklich große Chance.

Sie sind CEO, Entscheider. In einem Verband geht es um Politik, verschiedenste Interessen, Kompromisse. Ist das wirklich das Richtige für Sie?

JOHAN ELIASCH: Wenn ich gewählt würde, dann bräuchte ich auch ein Mandat für Veränderung. Das ist ganz klar auf der Agenda. Was ich will? Neue Strukturen, ja. Der Sport muss inklusiver werden, von allen Seiten. Wir brauchen mehr Gleichberechtigung, mehr Investitionen – und wir müssen umweltfreundlich sein.

Verzeihung, aber was daran verspricht mehr Unterhaltung?

JOHAN ELIASCH: Die Möglichkeit, Frauen und Männer öfter an einem Ort fahren zu lassen, nicht nur beider WM oder dem Weltcup-Finale. Im Biathlon macht man das und es hilft. Aber wir müssen auch über die Formate nachdenken.

Die da wären?

JOHAN ELIASCH: Die Kombination ist im TV schlecht zu übertragen. Ein Parallelslalom ist aus meiner Sicht viel besser geeignet, um Leute zum Zuschauen zu bringen. Je unterhaltsamer es wird, desto mehr schauen zu – je mehr zuschauen, desto mehr bekommt man für TV-Rechte. Je mehr Geld wir bekommen, desto mehr können wir investieren.

So wünschen sich das viele Sportarten. Skifahren war aber immer ein Sport, der mit seinen Helden gewachsen ist. Und dann meist in deren Herkunftsländern.

JOHAN ELIASCH: Ja, man braucht Helden. Und klar, nicht jedes Land kann durchgehend Helden haben. Aber nehmen wir Schweden: Vor Ingemar Stenmark hat Skifahren dort kaum jemand interessiert. Dann kam Stenmark – und wenn er gefahren ist, stand das Land still. Mit Boris Becker in Deutschland war es genauso, es gibt viele Beispiele. Also gilt: Je mehr Stars, desto besser. Wäre ein chinesischer Star nicht wunderbar?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der in Österreich ziehen würde, um ehrlich zu sein.

JOHAN ELIASCH: Aber in China wäre der Sport schnell populär. Für Österreich wäre es eine Chance – China ist ein Hauptmarkt. Und die Athleten würden so vielleicht auch mehr verdienen. Aber da ist noch ein anderer Punkt, der wichtig ist für die Athleten.

Welcher?

JOHAN ELIASCH: Mehr Input! Die Athleten müssen Stimmrecht haben, nicht nur eine Stimme bekommen. Wie gesagt: Die FIS macht einen guten Job, aber für mich ist der Input der Athleten zu gering. Wenn sie Verantwortung haben, bekommt man Vertrauen – so interagiert man, so holt man alle Stakeholder an Bord.

Sie sind Eigentümer einer Skifirma – wäre das Amt des Präsidenten kein Interessenskonflikt?

JOHAN ELIASCH: Nein! Was immer gut ist für die Skifirmen, ist auch gut für Verbände und Sponsoren. Wenn der Sport besser wird, wird er es für alle Beteiligten. Und ich darf sagen: Ich genieße die volle Unterstützung von allen wichtigen Skifirmen und von allen Organisationen.

Ist Ihnen der Alpinsport nicht wichtiger als die anderen Schneesportarten?

JOHAN ELIASCH: Ich habe praktisch alle Skisportarten probiert. Was ich weiß: Alle haben eine Sache gemeinsam.

Die wäre?

JOHAN ELIASCH: Wir müssen bessere und TV-tauglichere Formate finden. Ein Beispiel könnte sein, bessere und mehr Telemetrie-Daten via TV zu liefern und so für die Zuschauer alles interaktiver gestalten zu können.

Womit wir wieder beim Punkt sind: Wie kann man denn Neuerungen überhaupt durchbringen?

JOHAN ELIASCH: Wir müssen versuchen, Entscheidungsprozesse schneller zu machen. Es geht um gute Organisation und um gute Ausführung. Es ist wie in einer Firma. Wenn man etwas testet, Daten hat, dann ist es schwieriger, es abzulehnen. Wir müssen sicherstellen, dass Entscheidungen schnell getroffen werden – wir brauchen mehr Unternehmertum und weniger Bürokratie. In einer Organisation, die oft auf Ehrenamt und Freiwilligkeit basiert. Es geht auch darum, Kapazitäten aufzubauen.

Sie haben angekündigt, auf das Präsidentensalär von rund 500.000 Euro pro Jahr verzichten zu wollen. Ein Wahlzuckerl?

JOHAN ELIASCH: Ich denke nicht, dass ein Argument sein sollte, mich zu wählen. Wichtig ist, wer an der Spitze steht, nicht der Verzicht auf die Gage. Worum es mir geht: Auf den Stärken der FIS aufbauen, den Sport weltweit wachsen zu lassen. Ich will neue Wege einleiten: Marketing, Formate, TV-Rechte, den Schritt ins digitale Zeitalter – aufbauend auf der guten Basis.

Neue Märkte heißt neue Rennen an neuen Orten – und Verzicht für derzeitige Orte. Aber braucht der Skisport nicht die Klassiker?

JOHAN ELIASCH: Und wie! Stellen Sie sich vor, wir hätten jedes Wochenende Rennen wie Kitzbühel, dann hätten wir die perfekte Ski-Welt. Aber das ist schwierig. Wir brauchen neue Orte! Beispiel: Ich war beim Finale 2019 erstmals in Andorra. Ohne den Weltcup hätte ich nie erfahren, wie gut man dort Skifahren kann. Es ist wichtig, sich zu verbreitern.

Sie haben und hatten große Namen in Ihrem Team. Würden Sie die im Fall einer Präsidentschaft auch in die FIS integrieren?

JOHAN ELIASCH: Das ist der Plan - aber alle Athleten, nicht nur die aus meinem Team! Ich will mehr Leute und gute Ideen. Und frühere Athleten haben oft Zeit, sie haben Erfahrung und gute Ideen. Und ich habe in den letzten 25 Jahren viele Ideen entwickelt, mit Athleten darüber gesprochen – und gehört, was ihrer Meinung nach funktioniert. Und was nicht. Ich habe mit vielen gesprochen. Von Hermann Maier über Bode Miller, von Lindsey Vonn zu Aksel Svindal, von Didier Cuche bis zu Alexis Pinturault – jeder ist beeindruckend, jeder hat gute Ideen.

Kurzer Schwenk – die Welt ist im Corona-Schock. Wie geht es Ihnen?

JOHAN ELIASCH: Wie allen anderen. Jeder ist getroffen. Und keiner weiß, wie lange es dauern wird. Aber ich bin Optimist. Was den Skisport betrifft, hoffe ich, dass wir in Sölden wieder Weltcup sehen werden.

Wie hart ist die Zeit für die Skiindustrie?

JOHAN ELIASCH: Es ist eine harte Zeit. Wir haben praktisch alle dieselben Versorgungsketten. Und der Zeitpunkt des Lockdowns ist schlimm. Der Weltcup war zwar fast beendet, aber genau jetzt sollten die Bestellungen für die kommende Saison kommen. Insofern war es der schlechteste Zeitpunkt für die Industrie.

Zurück zur FIS: Was, wenn Sie nicht gewählt werden?

JOHAN ELIASCH: Das Wichtigste für mich ist, dass die FIS einen wirklich qualifizierten Präsidenten bekommt. Wenn jemand besser sein sollte als ich: Großartig, akzeptiert! Ich selbst dachte immer, dass Peter Schröcksnadel der beste Mann wäre.

Aber?

JOHAN ELIASCH: Als ich ihn einmal fragte, warum er es nicht macht, sagte er: Warum nicht Du? Das hat mich zum Nachdenken gebracht ...