Die Riesentorlauf-Welt steht kopf, irgendwie. Denn Marco Odermatt, der Mann, dem diese Disziplin an sich untertan ist, schied im zweiten Lauf aus. Zum dritten Mal in Serie. Aber keiner der angestammten Kronprinzen übernahm das Zepter – und doch jubelten die Eidgenossen schon wieder. Schweizer Leid, Schweizer Freud‘, ist man versucht zu sagen: Denn Thomas Tumler fuhr in Beaver Creek zu seinem ersten Sieg im Weltcup. Mit 35 Jahren ist er endlich ganz oben angekommen – in einem Rennen, das vor allem im ersten Lauf die Spreu vom Weizen trennte und Tumler mit Respektabstand ganz oben auswies.

Der 35-Jährige aus dem Samnaun, der im Vorjahr so richtig konstant war, hat die Spitze erreicht. Ganze dreimal war er bisher als Dritter auf dem Podest gestanden. Im Sommer heiratete er und die Ehe scheint ihm den Extra-Kick zu geben. Und: Tumler „verhinderte“ mit seinem Erfolg den ersten brasilianischen Sieg im Weltcup, denn Lucas Pinheiro Braathen fuhr auf Rang zwei und hatte seine Emotionen kaum unter Kontrolle. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich kann nur meiner Mannschaft danken. Ich bin stärker, als ich davor war“, sagte er.

Tumler selbst war nicht emotional, genoss eher ruhig. „Ich bin froh, dass ich nie aufgegeben habe, es hat sich ausgezahlt“, meinte er und auch das unglaubliche Wochenende der Schweizer entlockte ihm ein Lächeln: „Es waren drei Siege, zwei davon besonders. Der von Justin Murisier nach dessen Geschichte mit drei Kreuzbandrissen, Verletzungen und Rücken-Operation aber vielleicht noch ein bisschen mehr.“

Marco Odermatt war selbst ratlos

Der Alleskönner Odermatt war ratlos: „Ich habe das Set-up gewechselt, ich weiß gar nicht, was passiert ist“, sagte er zum dritten Ausfall in Serie. Erklärung hat er keine: „Im Training funktioniert es super. Aber nach wie vor: Von 15 Riesentorläufen zwölf Siege, das ist ja nicht schlecht. Es ist zudem ein spezielles Wochenende für die Schweiz mit drei Siegen – und die ersten Siege von Justin Murisier und Thomas Tumler sind ja besonders.“

Bei aller Spannung enttäuschend: Nur einer der ÖSV-Akteure wäre in der Lage gewesen, weiter vorne mitzufahren: Stefan Brennsteiner, im ersten Lauf wie so viele von der engen Kurssetzung aus dem Konzept gebracht, zeigte in Lauf zwei ansatzweise sein Potenzial – doch zwei schwere Schnitzer verhinderten mehr: „Ich habe alles gegeben. Aber ich habe gleich beim Start zwei Fehler gemacht, da bekommst du auf diesem Schnee gleich die Rechnung präsentiert“, meinte er.

Für die weiteren Österreicher war der Riesentorlauf in Beaver Creek eine Ernüchterung. Neben Brennsteiner schaffte es mit Raphael Haaser nur ein einziger in den zweiten Lauf, der Tiroler eröffnete diesen auch und machte sogar noch zehn Plätze gut, mehr als Rang 20 war aber nicht drinnen. Lukas Feurstein, tags zuvor im Super-G noch überragend, fand sich auf dem engen Kurs aber ebenso wenig zurecht wie Cousin Patrick, beide scheiterten klar. In Beaver Creek übernehmen ab heute die Frauen, die am Wochenende hier ihr „Comeback“ auf der Abfahrt geben.