Es war hierzulande kein großes Thema mehr, schon lange nicht. Zumindest nicht seit rund 40 Jahren, als Österreichs Alpine bei der WM in Crans Montana 1987 eine grandiose Niederlage einfuhren und der damalige Cheftrainer Dieter Bartsch den Begriff „Wunderwachs“ in den Mund nahm, wenngleich die tatsächliche Existenz bis heute unbestätigt ist. Tatsache aber ist, dass Ende der 1980er-Jahre eine Substanz im Skisport Einzug hielt, die das Wachsgeschäft revolutionierte: Fluor. Der Vorteil: Fluorketten lassen den Ski vor allem bei feuchtem Schnee viel besser gleiten – was vor allem im Langlauf enorme Unterschiede ausmachen kann, aber auch den Alpinen wesentliche Vorteile bringen kann.

Stark vereinfacht erklärt, worum es geht: Fluorierte Kohlenwasserstoffe, Kettenmoleküle, bei denen Wasserstoff vollständig durch Fluor ersetzt wird (man spricht in diesem Zusammenhang von C8-Ketten), sind seit Mitte der Achtzigerjahre bekannt, wurden zunächst als Wachs, dann als Pulver eingesetzt. 1990 wurde dann auch das erste kommerzielle Produkt auf den Markt gebracht. Die Anwendung lässt den Ski auf dem Wasserfilm, der zwischen Belag und Schneedecke entsteht, besser gleiten, weil Fluorkohlenwasserstoffe das Wasser besser abweisen.

So weit, so gut. Das Problem: Mit dem Einzug dieser neuen Substanz wurde auch die Skipräparation komplizierter. Schutzmasken hielten in den Wachsräumen Einzug. Denn „PFOA“ bzw. „PFAS“, so lautet die Fachbezeichnung, ist biologisch nicht abbaubar und noch dazu gesundheitsschädlich für den Menschen, schädigt vor allem die Fortpflanzung.

Vor allem in den skandinavischen Ländern widmete man sich intensiv diesem Thema, dort wurde rund um den Holmenkollen um die Loipen herum eine erhöhte Konzentration nachgewiesen, die stetig stieg. In Norwegen hat man deshalb schon vor Jahren den Einsatz von Fluorverbindungen bei Nachwuchsrennen untersagt.

Enorme Auswirkungen

Der Vorstand des internationalen Skiverbandes FIS hat nun Mitte November beschlossen, nicht nur der EU-Richtlinie zu folgen und C8-Ketten zu verbieten, sondern ein vollständiges Fluor-Verbot erlassen. Und das schon ab der kommenden Saison. Seither geht es in der Szene rund. „Ja, das hat enorme Auswirkungen auf uns“, sagt etwa Marcel Lipburger, der bei der Firma „Holmenkol“ für das Rennservice zuständig ist. Denn man habe natürlich nach der EU-Richtlinie von C8- auf C6-Ketten umgestellt, die Produkte sind für die kommende Saison aber entwickelt, da sie ja schon auf der Sportartikelmesse ISPO im März verkauft werden müssen. Nun aber sei alles in der Schwebe.

Derzeit herrscht Unsicherheit. Die FIS beauftragte nach dem Verbotsbeschluss des Councils den langjährigen FIS-Renndirektor Atle Skaardal mit der Gründung einer Arbeitsgruppe. „Der Auftrag ist klar: Fluor soll ab der kommenden Saison verboten werden, das ist eine Erweiterung dessen, was die EU vorschlägt.“ Wobei der Norweger meint, dass auch die Wachsfirmen sich schon länger mit der Problematik befassen. Stimmt: In den USA existiert das Fluor-Verbot bereits, was bei den Langläufern schon in der vergangenen Saison für Unsicherheit sorgte, als der Weltcup in Übersee gastierte.

Es braucht einen Schnelltest

Das Hauptproblem: Wie kontrolliert man, ob das Fluorverbot eingehalten wird? Was es dazu nämlich braucht, ist ein Schnelltest. „Es muss klar sein, dass wir wie bisher nach einer Protestzeit von 15 Minuten einen Sieger bei den Rennen brauchen und nicht erst langwierige Labortests benötigen“, sagt Skaardal.

Das Problem: In der Szene ist man sich auch uneinig, wie genau die Tests sein werden. Es gibt etwa das Gerücht, dass ein Ski, der irgendwann einmal mit Fluor behandelt wurde, nicht mehr zu gebrauchen ist, weil Rückstände immer vorhanden sein werden. Dasselbe soll für alle Bürsten und das Servicematerial gelten, auch die Trucks. Andere meinen, dass eine einmalige „Sterilisierung“ aller Komponenten ausreicht – Ski und Material könnten demnach auch nach einem Kontakt mit Fluor weiterverwendet werden.

Biathlonverband wartet ab

„Grundsätzlich“, sagt Lipburger, „ist es ja in Ordnung und sehr gut, dass man auf die Natur achtet – und auch auf unsere Gesundheit. Aber im Moment ist halt vieles noch unklar, wie das funktionieren wird.“ Zumal sich das Gerücht breitmacht, dass etwa der internationale Biathlonverband mit einem Verbot noch zuwarten will.

Klar ist: Wachsfirmen forschen schon längere Zeit an Alternativen. Lipburgers Firma etwa ist stolz darauf, als erster Produzent in Skandinavien mit dem „Swan Ecolabel“ ausgezeichnet worden zu sein. Soll heißen: Der Skisport, ein „Freiluftsport“, geht daran, Luft und Boden sauberer zu halten.