Es hat so sein müssen. Wie meine ganze Karriere. Ein Auf und Ab, einfach nur noch Drama“, sagte Dominic Thiem nur wenige Minuten nach dem größten Triumph seiner Karriere. Da konnte er schon wieder lachen. Und viele Österreicher vor den Fernsehgeräten (im Schnitt waren auf Servus TV immerhin 400.000 dabei, auch Eurosport werden einige geschaut haben) lachten da wohl ebenfalls, vielleicht weinten sie auch Tränen der Rührung, der Freude – oder die Augen tränten vor Müdigkeit. Schließlich war es bei uns bereits kurz nach viertel drei, als Dominic Thiem auf den Boden der leeren Arthur-Ashe-Arena sank. Geschüttelt von Krämpfen in den Beinen und von den Emotionen. Und doch endlich am Ziel. Dort, wo vor ihm mit Thomas Muster erst ein einziger Österreicher war: auf der obersten Stufe eines Grand-Slam-Turnieres. Als zweiter Österreicher hat Thiem also eines der vier größten Turniere des Jahres gewonnen, die US Open in New York. Nach einem wahren Drama, wie allein das Ergebnis – 2:6, 4:6, 6:4, 6:3, 7:6 – aussagt. Erst vier Spieler schafften es zuvor, einen solchen Rückstand in einem Spiel noch zu drehen, in New York keiner in der sogenannten „Open Era“, davor 1949 ein gewisser Pancho Gonzales.

Und dieses „Comeback to glory – die Rückkehr ins Spiel und zum Ruhm“, wie die Amerikaner so etwas nennen mögen, mag zwar vielleicht nicht das spielerisch beste Finale der Geschichte gewesen sein – und doch war es episch, irgendwie. Weil es ein so offensichtlicher Kampf war; zwischen zwei Spielern, die abseits des Feldes Freunde sind – gegeneinander, mit allem Respekt, bei aller Verbundenheit, aber auch gegen sich selbst. Ein Kampf gegen Tiefen und um Höhen, ein sportlicher Hitchcock-Thriller – Drama eben. Gegen die eigene Psyche, den Kopf, der nicht so wollte wie gewohnt. „Bleiern“ habe er sich gefühlt in den ersten beiden verlorenen Sätzen, meinte Thiem. Erst dann kam die Befreiung langsam, bis im fünften Satz erstmals der Gedanke an den möglichen Sieg reifte. „Das war keine gute Idee“, meinte der 27-Jährige danach, „weil da kamen die Schlümpfe in den Arm.“

Letztlich war es ein Schlagabtausch, bei dem beide hätten gewinnen können, ein Rennen darum, wer länger stehen bleiben kann. Letztlich war es Thiem, bevor er dann lag. Befreit, erleichtert, erfüllt.
Thiems Sieg, das war auch ein wenig die lang erwartete Zeitenwende im Tennis, der erste Grand-Slam-Sieger seit 2014, der nicht Nadal, Djokovic oder Federer heißt. „Wenn es einer verdient hat, dann er“, meinte Djokovic. Ob Thiems Sieg aber auch wirklich eine Zäsur ist, das muss sich erst weisen. Erwartbar wäre es, denn bisher hat Thiem aus jeder Erfahrung gelernt, hörte nie auf, besser zu werden. Den Glauben hat er ohnehin nicht verloren, nicht einmal in diesem Endspiel, als manch einer in der Heimat den Glauben fahren ließ, um auf den Zug ins Traumland aufzuspringen. „Man geht bei einem Finale nicht nach dem zweiten Satz ins Bett“, schimpfte da Alex Antonitsch auf Servus TV. Dem Drama in New York tat der Abzug manch Daheimgebliebener keinen Abbruch, schließlich zeigten die Protagonisten selbst Spuren der Müdigkeit. Es mag den Charakter des Spiels veranschaulichen, dass Thiem am Ende krampfte. Doch mit Kampf überwand der Niederösterreicher Krampf und Gegner.

Eines erspart sich Thiem dank dieses Sieges: einen Anruf bei Andy Murray. Der verlor nämlich seine ersten vier Grand-Slam-Endspiele, holte sich mittlerweile aber drei Titel. Aber das Finaltrauma hat Thiem abgewendet, „abgehakt“, wie er sagt. Drama inklusive. Hat wohl so sein müssen.