Wie sieht es gerade in Ihrer Gefühlswelt aus und können Sie sagen, wo Sie diesen Erfolg einreihen?
DOMINIC THIEM: Von der Wertigkeit her fühlt es sich ähnlich an wie meine beiden Finali in Paris. Hier ist es fast schwieriger, das Endspiel zu erreichen, weil nur die Top acht dabei sind. Jetzt will ich aber auch den Titel - ich werde nochmals alles aus mir raushauen.

Neben Nicolas Massu soll Ihnen auch Thomas Muster künftig unter die Arme greifen?
THIEM: Ja, wir haben Gespräche geführt, es ist aber noch nichts fixiert. Jetzt bin ich aber auf das Finale fokussiert. Ich habe gerade eines der größten Matches meines Lebens gewonnen und bin überglücklich. Ich habe das nicht unbedingt erwartet, weil ich bisher weder in der Halle noch hier in London so richtig erfolgreich war. Und jetzt stehe ich hier im Finale. Das bedeutet mir extrem viel.

Sie hatten zu Tsitsipas nicht immer das beste Verhältnis. Doch beim Laver Cup hatte man das Gefühl, sie wären sich näher gekommen.
THIEM: Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu ihm. Aber es stimmt schon, beim Laver Cup hat die Chemie absolut gestimmt. Wir hatten viel Spaß, wir sind alle lustige Jungs. Aber wenn wir auf den Platz gehen, legen wir diese Freundschaften für zwei, drei Stunden zur Seite.

In Barcelona und auch in Paris hatten Sie in der Vergangenheit allerdings schon Differenzen, die Sie auch öffentlich zur Sprache gebracht haben. Wo ist nun dieses zarte Pflänzchen der Liebe entstanden?
THIEM: Ja, da hat es ein paar fragwürdige Sachen gegeben, aber wir verstehen uns alle trotzdem ganz gut untereinander. Das sind ein paar Ausrutscher, die passieren können. Aber am Platz vergisst man die Freundschaft - das ist gegen jeden so, außer gegen meinen Freund Dennis Novak.

Tsitsipas hat gesagt, er fühlt sich von Ihnen inspiriert und schaut sich einiges von Ihnen ab. Schauen Sie sich auch noch von anderen Spielern etwas ab?
THIEM: Ja, viel sogar. Natürlich von den großen Drei. Aber auch von den jüngeren Spielern, die alle einen eigenen Stil und unglaubliche Stärken haben. Auch von Stefanos, weil wir vielleicht den ähnlichsten Spielstil haben.

Es wird das erste Finale seit 13 Jahren sein, in dem sich zwei Spieler mit einhändiger Rückhand gegenüberstehen. Was erwartet die Zuschauer?
THIEM: Das ist ein interessanter Fakt, den ich noch nicht kannte. Es gab eine Zeit, wo es nur ganz wenige Spieler mit einhändiger Rückhand gab. Jetzt sind da aber Stefanos, Denis Shapovalov und auch ich. Also wird sie auch in den nächsten 15 Jahren nicht aussterben. Die einhändige Rückhand hat auch einige Vorteile - vor allem in der Halle. Wegen des Slice und den vielen anderen Optionen, die man hat.

Vollzieht sich hier in London gerade die schon so oft erwähnte Wachablöse?
THIEM: Ich glaube schon, dass wir nächstes Jahr einen neuen Grand-Slam-Champion sehen werden. Aber es ist nicht zu einhundert Prozent sicher, weil die großen Drei nach wie vor die Favoriten sein werden. Ich persönlich hoffe, meinen super Level halten zu können. Mein Tennis bewegt sich in die richtige Richtung. Nach dem Turnier freue ich mich auf den Urlaub, aber dann freue ich mich auch schon wieder auf die Vorbereitung, wo ich meinen Level weiter verbessern will.

Sie beenden das Jahr als Nummer vier der Welt. Wie wichtig ist das? Und wussten Sie, dass der Altersunterschied zwischen Ihnen und Stefanos mit fünf Jahren derselbe ist wie zwischen Federer und Nadal?
THIEM: Das ist sehr wichtig wegen der Setzung bei den Australian Open. Allerdings kann sich beim ATP Cup, wo 750 Punkte vergeben werden, noch ein bisschen etwas ändern. Der Fakt mit Stefanos und mir ist lustig. Ich habe gerade erst vorher ein Foto gesehen, wo ich mit ihm hier 2016 trainiert habe. Er war damals noch unbekannt und mein Hittingpartner, doch man hat schon damals gesehen, was aus ihm werden kann. Und keiner hätte gedacht, dass wir nun hier im Finale stehen.

Was können Sie im technischen Bereich noch verbessern?
THIEM: Ich habe kleine Veränderungen vorgenommen. Ich habe die Ausholbewegung bei der Vorhand ein wenig verkürzt - das hilft mir vor allem auf den schnellen Belägen. Auch beim Aufschlag und dem Service habe ich Kleinigkeiten verändert.

Alex Zverev hat gemeint, seit Ihrer Zusammenarbeit mit Nicolas Massu hatten Sie Ihren Level um das 20-fache gesteigert.
THIEM: Ich denke schon, dass eine riesige Verbesserung da ist. Ich habe heuer zum Beispiel eine unglaubliche Bilanz bei den Dreisatzmatches. Aber wie gesagt, wir haben ein paar Sachen geändert, die mir jetzt sehr helfen. Dass ich näher zur Linie komme, dass ich mein Netzspiel und die Spieleröffnung verbessere. Seit dem Laver Cup geht das in die richtige Richtung - da habe ich einen echt großen Schritt gemacht.