Eliud Kipchoge ist der beste Marathon-Läufer der Gegenwart, vielleicht sogar aller Zeiten. Der Olympiasieger und Gewinner von neun der zehn bestrittenen Stadt-Marathons durchbrach am Samstag in Wien mit 1:59:40,2 Stunden als erster Mensch die 2-Stunden-Schallmauer auf der 42,195-km-Distanz. Dabei nutzte der Kenianer in der perfekt inszenierten "Ineos 1:59 Challenge" auch das optimale Umfeld.

Die Strecke hätte kaum günstiger sein können und auch die Witterung am Renntag hielt sich mit Windstille, geringer Luftfeuchte und Temperaturen um elf Grad an die Prognosen der eigens aufgebotenen Meteorologen. Vor allem aber profitierte der 34-jährige Sportheld Kenias von der Heerschar an exzellenten Schrittmachern, die einander in Siebener-Gruppen abwechselten, und dem Vorausauto, das mittels auf die Idealstrecke projizierter Laserlinie das Zieltempo von 1:59:50 Stunden exakt vorgab. Damit herrschten "Laborbedingungen".

Der 2013 zum Marathon gewechselte Ex-5.000-m-Weltmeister Kipchoge selbst präsentierte sich in exzellenter Form. Er erwies sich in seinem zweiten Versuch nach Monza vor zwei Jahren (2:00:25) der Herausforderung mehr als gewachsen. "Diese Erfahrung war wichtig", sagte der Goldmedaillengewinner von Rio 2016. "Ich war ruhig und habe versucht, das Tempo zu halten und nach Plan zu laufen. Mein Geist war positiv."

Wie ein Uhrwerk spulte er auf den vier Runden um Praterstern und Lusthaus Kilometer um Kilometer ab, lief diese ausnahmslos in Zeiten von 2:48 bis 2:52 Minuten. Doch die Strapazen waren ihm kaum anzumerken, als er sich im Finish vor seine Begleiter setzte und im Ziel jubelnd seine Gattin Grace und seinen Langzeit-Coach Patrick Sang umarmte.

Das Ineos Rad-Team, das zuletzt Tour-de-France-Sieger in Serie hervorgebracht hatte, stellte unter David Brailsford seine Expertise zur Verfügung, auch bei Experten für Ernährung (Manager Valentijn Trouw versorgte seinen Star vom Fahrrad aus mit Getränken) und Material wurden bei dem millionenschweren Projekt des britischen Chemiekonzerns keine Kosten und Mühen gescheut.

Wie bedeutsam der Windschatten bei einem Marathon-Tempo von etwas mehr als 21 km/h ist, geht aus einer Analyse von Wolfram Müller, einem Wissenschafter der Meduni Graz, hervor. Laut einer realistisch angesetzten Annahme - exakte Daten liegen nicht vor - entspricht Kipchoges mechanische Maximalleistung rund 300 Watt. Für eine Dauerleistung von zwei Stunden stünden dem weniger als 55 kg wiegenden Athleten etwa 230 Watt zur Verfügung, schätzte Müller ein.

Um den Luftwiderstand zu überwinden, wäre eine Leistung von rund 70 Watt nötig, das sind mehr als 25 Prozent der Dauerleistung. Im Gegensatz zu regulären Marathons war in Wien der Windschatten durch ein in V-Form vorauslaufendes Quintett und über die gesamte Distanz optimiert. In einer Studie vor dem Lauf in Monza 2017 schätzten die Autoren die Leistungsersparnis durch Windschatten - damals ein umgekehrtes V - auf 30 Watt und damit rund vier Minuten gegenüber einem Sololäufer ein.

Nach dem Rennen in Wien und seiner Sternstunde wendet sich Kipchoge wieder regulären Marathons zu. Über sein genaues Programm hielt er sich bedeckt, doch das Ziel Tokio 2020 liegt auf der Hand. Dort könnte er als dritter Läufer im Marathon vier Jahre später den Olympiasieg wiederholen.