Die Formel 1 gastiert zum zehnten Mal auf dem Red Bull Ring, erstmals aber ohne Dietrich Mateschitz. Wie besonders ist das Rennen für Sie?
HELMUT MARKO: Es gibt eine weitere Besonderheit: Wir haben bis dato seit seinem Tod jedes Rennen gewonnen. Für uns ist es generell die bisher erfolgreichste Saison. Dass wir unmittelbar vor Spielberg noch den 100. Sieg feiern und Max Verstappen mit den 41 Siegen von Ayrton Senna gleichzieht, ist natürlich speziell. Das Tragische ist, dass Dietrich Mateschitz diesen unglaublichen Höhenflug nicht mehr miterleben kann. Das Leben geht aber weiter und das muss es auch.

Der Erfolg wird von Max Verstappen getragen, während Sergio Perez mitunter strauchelt. Schon tauchen Gerüchte auf, dass Daniel Ricciardo ihn ersetzt ...
Da wurde viel aus dem Zusammenhang gerissen. Daniel Ricciardo macht Testfahrten, ja, aber das hat mit dem Sportlichen nicht viel zu tun. Perez hatte ein paar sehr gute Rennen und ein paar sehr schlechte. Er muss sich wieder konzentrieren und das Optimum abliefern, da braucht es keine WM-Titel-Träume. Das Positive: Er ist der Erste, der zwei Saisons neben Max überstanden hat.

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Andere Teams werben um Personal von Red Bull. Kann man trotz Budgetobergrenze jedes Wettbieten mitmachen?
So massiv wie momentan abgeworben wird, war es noch nie. Umso verwunderlicher ist es für uns, wie das die anderen trotz des Budget-Caps machen, mehr als das Doppelte bieten. Scheinbar sparen sie anderswo. Wir können Abgänge aber verkraften, haben einen soliden Unterbau mit jungen Leuten. Wir sind in der Spitze und in der Breite gut aufgestellt. Nicht alles ruht auf einer Person.

Aber doch auf dem Trio Adrian Newey, Christian Horner und Helmut Marko?
Diese Kontinuität unterscheidet uns von den anderen: Newey ist 17 Jahre dabei, Horner 19 und ich noch länger. Darunter aber gibt es ein breit gefächertes technisches Toppersonal. Schwierig war es für uns nach 2013, als wir einen ähnlichen Höhenflug hatten – und sind in einer Mercedes-Überlegenheit aufgewacht. Da mussten wir das Team zusammenhalten. Mit Erfolg ist es leichter: Jeder will für einen wie Verstappen arbeiten.

Dafür schwächelt das zweite Team AlphaTauri. Was muss sich dort ändern?
AlphaTauri bekommt ab 2024 mit Laurent Mekies und Peter Bayer zwei neue Spitzen. Es wird neue Sponsoren geben und auch eine neue Namensgebung. Die Ausrichtung ist klar: Anlehnung an Red Bull Racing, soweit es das Reglement erlaubt. Eigenkonstruktionen sind der falsche Weg.

Werden Yuki Tsunoda und Nyck de Vries da noch dabei sein?
Grundsätzlich fährt Yuki eine sehr gute Saison mit unglücklichen Resultaten und Strafen, aber die Performance stimmt. Bei Nyck de Vries aber sind wir nicht zufrieden, das schauen wir uns auch an.

Ein Österreicher als Ersatz ist keine Option. Warum?
Es ist ganz einfach: Keiner hat den nötigen Speed. Man könnte zwar einen Österreicher in die Formel 1 bringen, aber wir wollen junge Fahrer, die das Potenzial zum Siegfahrer haben. Da ist in Österreich weit und breit keiner zu sehen.

Dafür könnte man sagen: Dank Verstappen, Auto, Ring und Fans ist der Heimsieg so gut wie sicher, oder was soll passieren?
Wir haben in Kanada gesehen, dass die anderen näherkommen. In Spielberg gibt es auch wieder einen Sprint, du hast nur ein Training, um das Auto abzustimmen. Wenn du da daneben liegst, ist das ganze Wochenende dahin. Voriges Jahr hatten wir zu hohen Reifenverschleiß, das haben wir im Sprint nicht ganz realisiert. Im Rennen hatten wir dann gegen Ferrari keine Chance. Die andere Geschichte ist das Wetter: Es werden wechselhafte Bedingungen angesagt. Selbstverständlich ist der Erfolg also keineswegs.

Warum kommt der GP von Österreich bei den Fahrern so gut an?
Erstens ist es eine traditionelle Strecke, die modernisiert wurde. Es ist ein Mix aus Landschaft und Faszination, da passt einfach alles zusammen, auch die Organisation ist unglaublich. Der Verkehr funktioniert bis auf Kleinigkeiten trotz der Zuschauerzahlen bestens. Ich brauche etwa zehn Minuten von meiner Unterkunft an den Ring. In Silverstone fährst du für die gleiche Strecke eine Stunde.

Aber sind Landschaft und Panorama für den Formel-1-Tross tatsächlich so außergewöhnlich?
Die merken das schon, klar. Wenn man sich alle Rennstrecken im Kalender anschaut, kenne ich keine, die so harmonisch in die Landschaft eingegliedert ist. Manchmal sieht man am Zirbitzkogel sogar noch Schnee. Dieser Kontrast und alles rundherum steht einfach für Österreich in all seinen Facetten. So wie die Gastfreundschaft, die alle erfahren.

Wie sentimental wird Helmut Marko beim "Heim-GP"?
Für mich ist es angenehmer als sonst. Ich kann nach dem Rennen übers Gaberl nach Hause fahren, habe keinen Stau und sitze zu den Abendnachrichten vor dem Fernseher. Das ist schon Luxus für mich.

Kommen wir zur neuen Red-Bull-Führung und Oliver Mintzlaff: Zunächst gab es Gerüchte über Unstimmigkeiten. Wie sieht es tatsächlich aus?
Es hat sich alles eingespielt und wir haben die Freiheiten, die wir brauchen und auch das Budget. Es ist alles im grünen Bereich und Oliver Mintzlaff und ich haben auch einen entsprechenden Austausch. Mittlerweile weiß ich sogar ein bisschen mehr über Fußball, weil er mir davon erzählt. Ich bin wirklich erstaunt, welche Ablösesummen da gezahlt werden, wie viele Manager und Berater da zwischengeschaltet sind.

Also sind Sie froh, dass Sie nicht im Fußball zu Hause sind?
Na ja, es wäre schon schön, wenn die Formel 1 auch solche Ablösesummen hätte. Wobei, selbst dann stünde Max Verstappen nie zum Verkauf.

Bleiben wir bei ihm: Sportlich ist er auf einer Stufe mit Ayrton Senna, an Charisma fehlt es im Vergleich aber noch?
Man muss dazu sagen, dass er bei Weitem der Jüngste ist, dem solche Erfolge gelungen sind. Er hat auch eine Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht, die weder von uns gesteuert noch in irgendeine Richtung gelenkt war. Langsam kommt damit auch das Charisma. Für sein Alter und diese Erfolge ist er ein Modellathlet. Generell hat er dieses spezielle und klare Auftreten, vertritt eine eigene Meinung und lässt sich nicht beeinflussen oder verbiegen.

Bei der Legends Parade werden auch Sie in einen BRM 157 steigen. Wie groß ist die Vorfreude?
Ich kann mich nur erinnern, dass es ein unglaubliches Auto mit enormem Drehmoment ist, da kannst du mit den ersten drei Gängen losfahren. Man geht an die Sache gespannt heran und denkt sich: Nur keinen Blödsinn machen. Ich hoffe jedenfalls, dass ich der Geschwindigkeit nicht zu sehr verfalle, wenn ich dann wirklich im Auto sitze.