Zweite Glanzvorstellung in Folge, zweiter Sieg in Folge: Nach seinem Überraschungserfolg in Monza bestätigte Max Verstappen auch in Baku mit einem erneuten überlegenen Sieg, dass Red Bull deutliche Fortschritte gemacht hat. In einem Rennen, das ein wenig die Abkehr vom Gewöhnlichen war, denn hinter Verstappen reihten sich der verkühlte George Russell im Mercedes und Carlos Sainz im Williams, der erstmals für seinen neuen Arbeitgeber einen Podestplatz eroberte, ein.
Teils war diese ungewöhnliche Reihung im „Chaos-Qualifying“ vom Samstag zu begründen. Der WM-Führende Oscar Piastri hatte schon da seinen McLaren in die Mauer gesetzt, auch Lando Norris hatte einen Ausrutscher. Und ausgerechnet an dem Wochenende, an dem McLaren die Konstrukteurs-WM schon ins Trockene hätte bringen können, ging das Desaster der „Papaya-Truppe“ auch im Rennen weiter: Bei Piastri hakte es am Start, er fiel weit zurück und krachte schon in Runde eins wieder in die Mauer. Statt Renncockpit gab es nur den Klappsessel an der Strecke, auf dem der Australier mitverfolgte, wie sein Teamkollege und erster WM-Konkurrent Norris ebenso wenig entscheidend Boden gut machen konnte, er blieb in dem ereignisarmen Rennen auf Rang sieben „stecken“ und sah schon viel am Samstag verloren: „Da hätte auch ich selbst vieles besser machen können. Dass sich Red Bull verbessert hat, ist keine Überraschung. Damit mussten wir immer rechnen.“
Die Schlüsse für McLaren? Die Charakteristik in Baku zusammen mit den niedrigen Temperaturen waren nicht der beste Boden, aber, wie Teamchef Andrea Stella meinte: „Gott sei Dank sind die meisten Strecken von der Charakteristik nicht so wie hier. Je heißer, desto effizienter ist unser Auto. Aber wir müssen es schaffen, unter allen Bedingungen zu performen.“
Denn vorne war Verstappen sowohl am Start als auch beim Re-Start nach der von Piastris Unfall erzwungenen Safety-Car-Phase eine Klasse für sich, unterstrich die wiedergewonnene Stärke des Teams auch noch mit der schnellsten Runde im vorletzten Umlauf und durfte mit dem zweiten nahezu perfekten Rennen in Folge extrem zufrieden sein. „Dieses Wochenende war unglaublich für uns. Monza war schon großartig, aber es ist fantastisch, auch hier zu gewinnen. Das Auto hat mit beiden Reifenmischungen wirklich gut funktioniert. Wir hatten freie Fahrt, konnten so auf die Reifen achten. Es war vergleichsweise unkompliziert, auch wenn es hier nie einfach ist.“
Der viermalige Weltmeister durfte seinen zweiten Sieg in Aserbaidschan bejubeln – einen, mit dem er vor wenigen Wochen wohl kaum gerechnet hätte. Wirklich die Trendwende, die den Bullen noch den Angriff auf die WM ermöglicht? Aktuell hat Verstappen (nur) noch 69 Punkte Rückstand auf Piastri. „Wir verstehen unser Auto sicher besser, aber wir müssen erst einmal abwarten, wie das jetzt in Singapur, auf einer ganz anderen Strecke mit viel Downforce, aussieht. Ich denke im Moment nicht darüber nach, gehe alles Rennen für Rennen an, der Rückstand ist bei noch sieben ausstehenden Rennen groß. Ich baue nicht auf das Prinzip Hoffnung, werde einfach versuchen, immer das Bestmögliche herauszuholen.“
Was nicht nur Red-Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko freute: In Baku war Red Bull keine One-Man-Show, sondern mit Liam Lawson (5.), Yuki Tsunoda (6.) und Isack Hadjar (7.) machten auch die anderen drei Autos WM-Punkte. „Es haben wirklich alle hervorragende Arbeit geleistet. Das war mehr Schachspiel als Rennen, es wurde immer gerechnet.“ Angenehmer Nebeneffekt: Auf einmal scheint sogar noch Platz zwei in der Konstrukteurs-WM in Reichweite. Und der Fahrer-Titel? McLaren-Teamchef Andrea Stella ist überzeugt, dass Verstappen noch voll mit im Rennen sei: „Bei Stella ist das Zweckpessimismus“, meinte Marko mit leicht ironischem Lächeln. „Warten wir einmal Singapur ab. Wenn unsere Tendenz auch da weitergeht, überlege ich auch noch einmal.“