Außenseiter Marokko? Das ist ihnen völlig egal. Mit Belgien, Spanien und Portugal haben schon drei europäische Nationen geglaubt, gegen die Löwen vom Atlasgebirge im Vorteil zu sein. Jetzt wartet die vierte. Der nicht für möglich gehaltene Weg der Marokkaner ins Halbfinale soll dort aber noch nicht enden. "Warum sollten wir nicht davon träumen, eine Weltmeisterschaft zu gewinnen? Es kostet nichts, Träume zu haben", sagt Trainer Walid Regragui. Der 47-Jährige hat wie sein Kapitän Roman Saiss, der am Samstag verletzt vom Feld musste, französische Wurzeln. Beide sind in jenem Land geboren und fußballerisch groß geworden, das sie am Mittwoch aus dem Turnier schießen wollen. Nach 90 oder eben 120 Minuten. 

Nach den körperlich wie mental aufreibenden bisherigen fünf Spielen der ersten afrikanischen Mannschaft, die in ein Halbfinale vordringen konnte, wartet gegen den "großen Bruder" erneut ein Abnutzungskampf. Leidenschaft und Einsatzwille haben den Außenseiter von Spiel zu Spiel getragen. Gerade in der Defensive steigt deshalb auch die Zahl der angeschlagenen Spieler. Und die Verteidigung ist trotz Qualität in der Offensive zweifellos das Prunkstück der heurigen Überraschungsmannschaft.

Der einzige Gegentreffer bleibt weiter ein Eigentor. Gegen Portugal hat man zum Ende hin teilweise sogar mit einer Sechserkette agiert. Trotz Überlegenheit des Gegners ließ man erstaunlich wenig zu, hätte in einem Gegenstoß sogar noch vor dem Abpfiff alles klarmachen können. "Ich habe 26 Spieler. Wenn man dieses Turnier gewinnen will, muss man an alle glauben. Wenn einer verletzt oder krank ist, kommt ein anderer hinein", sagt Regragui, der hofft, dass zumindest Noussair Mazraoui vom FC Bayern rechtzeitig wieder fit wird.

Jeder, der in einem Halbfinale steht, hat es am Ende auch verdient. Spielweise hin, Betonanrühren her. Das weiß auch Didier Deschamps. Nur einmal in der Geschichte konnte bisher ein WM-Titel verteidigt werden. Das ist allerdings schon 60 Jahre her. "Wir müssen uns zuerst auf Mittwoch fokussieren", will Deschamps noch nichts vom ganz großen Triumph wissen. Zum Halbfinale hat sich auch Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigt. Dieser war beim Finalgewinn 2018 in Moskau schon auf der Tribüne mit dabei.