An sich war Marcel Hirscher ja eher der Mann für zwei Räder. „Ich war Vollgas im MotoGP-Lager – aber jetzt, nach dem Karriereende von ‚Vale‘ (Valentino Rossi, Anm.) geht es mehr in Richtung Formel 1. Nicht zuletzt wegen Max Verstappen. Wir kennen uns zwar nicht wirklich, aber es ist natürlich ein Bezug da. Es hat sich also gedreht.“ Und so sog Hirscher, der mit Freundin Lucy nach Spielberg gekommen war, auch begeistert die Atmosphäre der Königsklasse ein, ehe er sich mit „Eleanor“, dem Auto aus dem Film „Nur noch 60 Sekunden“, auf große Fahrt begab.
Hirscher ist kein Unbekannter im Motorsport, war schon am Erzberg unterwegs, fuhr mit einem Rallycross-Audi-S1 von Mattias Ekström, zählt Matthias Walkner zu seinen Freunden. Und doch sieht er sich nicht in einem Rennauto: „Man glaubt zwar, dass man etwa im Porsche Supercup nicht so gut fahren können muss, aber da hatte sogar Matthias Walkner Probleme, mitzuhalten. Und der ist im Motorsport doch talentierter als ich.“ Ihm fehle schlicht die Zeit, sich so auf eine solche Aufgabe vorzubereiten, „wie ich Dinge normal eben angehe“. Und der Traum von der Formel 1? „Unrealistisch., unvorstellbar. Da käme der Geist nicht mit. Klar, man könnte um den Kurs rollen, aber das ist nicht der Sinn. Und mehr geht einfach nicht.“
So nimmt Hirscher lieber anderes mit von der Formel 1 – wie etwa die Doku-Serie „Drive to Survive“, die er „einmal im Flieger begonnen hat“. Er ist ein Fan solcher Serien, weil sie helfen, den Sport nahbarer zu machen. „Auch, wie viele Frauen in der Zwischenzeit Formel-1-Fans sind und diese cool finden, weil sie die Charaktere, die Personen dahinter kennenlernen, finde ich sehr, sehr cool.“ Da könne der Skisport noch lernen, auch wenn diverse Projekte in Arbeit seien, auch sein Comeback werde filmisch begleitet, sagt der Salzburger Unternehmer, dessen eigene Skifirma („Die modernste Skifirma der Welt in meiner Heimat, der Innenputz ist aktuell im Fertigwerden“) noch dieses Jahr in Betrieb gehen soll.
Auch er selbst setzt „den Betrieb“ als Sportler fort, will für die Niederlande weiter Rennen bestreiten. Das ist dank Wildcard möglich, auch wenn deren Einführung ihn selbst vergangenes Jahr beinahe überforderte. „Als ich begonnen habe, war von Wildcards keine Rede, die hat mir eigentlich ein Hax’l gestellt – ich habe ja nicht gewusst, dass sich die FIS so was einfallen lässt. Und auf einmal hat sich das Rad so schnell gedreht, dass ich nicht mehr hinterhergekommen bin“, erzählt er. Der Plan lautete ursprünglich, bis zur Heim-WM das Maximum herauszuholen, plötzlich stand er aber schon in Sölden „auf der großen Bühne“. Nicht so bereit, wie er es gerne gewesen wäre. Und der erste Weltcup-Slalom in Levi ist ihm noch in schlechter Erinnerung: „Ich werde hoffentlich nie wieder so unvorbereitet in ein Rennen gehen wie dort“, sagte er. Das Knie diktiere den Weg: „Ich fahre, wenn ich bereit bin, wenn ich es nicht tue, gibt es kein Rennen. Ich muss auch mir nicht beweisen, dass ich Skifahren kann. Wenn es nicht sein soll, weil es das Knie nicht mehr hergibt, dann werde ich nicht runtersuchen.“
„Ich wusste es nach dem Aufwachen nach der Operation“
Dass er wieder zurückkehren wolle, sei ihm schnell klar gewesen: „Ich wusste es ab dem Zeitpunkt, wo ich nach der Operation munter wurde. Da habe ich gesagt: Das können wir so nicht lassen.“ Denn er habe sich gewünscht, Rennen zu fahren; bisher waren es derer aber nur drei. „Ich habe mich auf Kitzbühel gefreut, auf Schladming, die Heim-WM. Das ist es halt nicht geworden.“ Was er klarstellt: Er komme nicht wegen Olympia wieder: „Die Spiele an sich sind schön, aber manchmal denkt man sich, dass eine WM mehr Wertschätzung gegenüber den Athleten hatte. Olympische Spiele sind sehr komplex – und wenn ich an Cortina denke, weiß ich, dass ich dort noch weniger Zeit im Olympischen Dorf verbringen würde.“
Aktuell gehe es ihm gut, „mittlerweile bin ich angekommen bei: Es ist spannend und, danke, dass ich das erleben habe dürfen.“ Denn er erkenne nun wieder die Schritte der Verbesserung, die im Profisport im Normalfall so klein seien, „dass du sie selbst kaum merkst“. Und er merke erst jetzt, wie hoch Comebacks einzuschätzen sind: „Ich ziehe vor Leuten wie Lindsey Vonn, Aksel Lund Svindal oder Anna Veith noch viel mehr den Hut, weil ich nachvollziehen kann, was sie geleistet haben. Und ich bin selbst ja noch nicht einmal auf Ski gestanden. Ich habe jedenfalls sehr viel gelernt.“