„War Mozart 'normal'? Sicher nicht!“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen findet bei seiner denkwürdigen Rede zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele mahnende Worte. „Wir, das sind die ‚normalen‘, das sind ‚unsere Leute‘, das ist ‚das Volk‘. Wer oder was sind dann ‚die anderen‘?“, fragt Van der Bellen.  Auch wenn er keine Namen nennt, dürften sich wohl mehrere in der österreichischen Spitzenpolitik angesprochen fühlen. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte etwa kürzlich an, Politik für „Normaldenkende“ machen zu wollen, SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler für „unsere Leit“. Und FPÖ-Chef Herbert Kickl bringt sich als künftiger „Volkskanzler“ in Stellung.  

Video: Die Rede von Bundespräsident Van der Bellen

Man dürfe sich in Österreich nicht daran gewöhnen, dass Sprache wieder zur Ausgrenzung verwendet wird, mahnt der Bundespräsident. „In unserem Land werden gerade einige Fenster zerbrochen. Und das muss aufhören.“ Denn eine US-amerikanische Sozialtheorie besage, dass „wenn in einem Stadtteil eine zerbrochene Scheibe nicht umgehend repariert wird, schnell alle Fensterscheiben zerbrochen sind.“

"Populismus holt das Niedrigste aus den Menschen hervor"

Er fühle sich schon jetzt manchmal „wie im Hochwahlkampf“, kritisiert Van der Bellen. „Manche politischen Akteure, so scheint es, haben die Hoffnung verloren, dass man mit sachbezogenen Argumenten und inhaltlichen Konzepten durchkommt. Dass man mit Ernsthaftigkeit ernstgenommen wird.“ Stattdessen werde auf Populismus gesetzt.  Aber „Populismus will trennen, will ausgrenzen. ‚Die da oben‘ – ‚wir da unten‘. Populismus will Probleme finden und vergrößern.“  Anstatt „weitere Fenster zu zerbrechen“, sollte die Politik lieber „um die besten Lösungen kämpfen“, fordert Van der Bellen. Es gebe zahlreiche Probleme, die die Politik angehen müsste, etwa die Bekämpfung des Klimawandels oder die Schaffung eines Sozialsystems das „echte Armut verhindert“. Doch mit Populismus und mit „Gerede von ‚wir‘ und ‚die anderen‘“ ließen sich solche Herausforderungen „sicher nicht“ lösen. „Populismus holt nicht das Beste aus den Menschen hervor, sondern das Niedrigste. Das Trennende, Ausgrenzende“, mahnt Van der Bellen.   

„Liberale Demokratie gehört allen“, erinnert der Bundespräsident. Mehrheiten würden bestimmen, Minderheiten geachtet werden. Doch werde die liberale Demokratie nicht gepflegt, „steuern wir auf eine Autokratie zu, in der es nur denen gut geht, die zum ‚wir‘ gehören, und es denen schlecht geht, die zu ‚den anderen‘ gehören.“  

90 Prozent der Festspielkarten gebucht

„Bringen wir das Beste in uns und an Österreich zum Vorschein und nicht das Niedrigste“, appelliert der Bundespräsident. „Lassen Sie uns daran glauben, dass wir durch alle Herausforderungen kommen, wenn wir nicht aufgeben. Denn es gibt das Gute, das Schöne, das Gemeinsame. Und die Bregenzer Festspiele zeigen das.“ 

Schon im vergangenen Jahr hatte Van der Bellen seine Eröffnungsrede in Bregenz für klare politische Botschaften genutzt. Damals forderte er angesichts der Energie- und Teuerungskrise Tempo von der türkis-grünen Bundesregierung. Die Abhängigkeit von Russland nannte der Bundespräsident „unerträglich“.  

Den künstlerischen Auftakt der heurigen Bregenzer Festspiele bildet am Mittwochabend die Premiere von Giuseppe Verdis „Ernani“. Am Donnerstag wird die Wiederaufnahme von Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“ auf der Seebühne erstmals aufgeführt. Bis 21. August stehen über 70 Veranstaltungen auf dem Programm, aufgelegt sind etwa 215.000 Tickets. Vor Festspielbeginn waren bereits 90 Prozent der Festspielkarten gebucht.