Für eine neue Sicherheitsdoktrin und einen "Optionenbericht" zu Österreichs Sicherheitspolitik plädierte die frühere ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik im Rahmen des 8. Medienmittelpunkts Ausseerland. "Weitere Schlaf-Jahrzehnte können wir uns nicht leisten", ist die ehemalige Diplomatin überzeugt.

Es sei höchste Zeit für ein "Update" der inzwischen zehn Jahre alten Sicherheitsdoktrin. Seither sei in Europa einiges passiert: Cyber-Attacken, Landraub mit der Krim-Annexion, Migrationskrisen, Terroranschläge, NATO-Beitritte, die Corona-Krise und zuletzt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Es brauche eine "sorgfältige, überparteiliche und EU-konforme, aktuelle Risikoanalyse". Der erste Versuch eines solchen "Optionenberichts" misslang 1998, nachdem der damalige Kanzler Viktor Klima (SPÖ) die Prüf-Option eines allfälligen NATO-Beitritts nicht akzeptieren wollte.

Neutralität nüchtern betrachtet

Für eine Neuauflage müssten etliche Fragen beantwortet werden: "Was bietet Österreich die beste Sicherheit? Wer garantiert unsere Neutralität?" Mit dem NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens gehören künftig 23 EU-Länder der NATO an. Nur Irland, Malta, Zypern und Österreich sind dann nicht Teil des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses. "Was bedeutet das für die Zukunft der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Wer wird tonangebend sein?" Auch die künftige Ausrichtung des österreichischen Bundesheeres ist laut Plassnik zu klären.

Österreich beteilige sich seit 23 Jahren - "innenpolitisch völlig unbestritten" - an der NATO-geführten KFOR-Mission im Kosovo. Das Wort NATO sei jedoch zum Unwort geworden. "Wer gegen einen NATO-Beitritt ist, sollte die Neutralität nüchtern auf ihre Tauglichkeit zum Schutz der Bevölkerung und der Interessen der Republik hin untersuchen", so Plassnik.

Dass die Österreicherinnen und Österreicher die Neutralität "im Herzen tragen", wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner jüngst meinte, quittierte Plassnik mit dem Hinweis, dass für eine vernünftige Sicherheitspolitik der Kopf nicht fehlen sollte. "Kopflos macht es auch nicht besser."

Chinas Einfluss am Westbalkan

Der Ukraine-Konfikt und die Folgen daraus waren auch das zentrale Thema, das NZZ-Korrespondent und Chef der Auslandspresse Ivo Mijnssen mit Europaministerin Karoline Edtstadler (VP) führte, die den Fokus dabei auch auf den Westbalkan lenkte. "Wir haben dort eine fragile Situation, es reicht ein Streichholz, um einen Flächenbrand auszulösen. Die Integration des Westbalkans ist auch eine Frage der Sicherheit", betonte die Ministerin. Obwohl zahlreiche österreichische Unternehmen gute wirtschaftliche Beziehungen mit Ländern am Westbalkan pflegen, wurde dort übersehen, dass der Einfluss anderer Staaten in den letzten Jahren massiv gestiegen sei. "Wir müssen diesen Wirtschaftsraum enger an uns binden, denn wenn die Häfen an China verkauft sind, ist das nicht mehr möglich", betont die Europaministerin.

NZZ-Korrespondent Ivo Mijnssen mit Europaministerin Karoline Edtstadler (VP)
NZZ-Korrespondent Ivo Mijnssen mit Europaministerin Karoline Edtstadler (VP) © Verena Bauer

Sollte sich die EU dazu entscheiden, der Ukraine einen Kandidatenstatus zusprechen, werde Österreich dem nicht im Wege stehen. "Allerdings darf der Kandidatenstatus nicht nur ein symbolischer Akt sein", betonte Edtstadler im Rahmen dieser Veranstaltung.

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Medienakademie beim 8. "Medien.Mittelpunkt Ausseerland" entstanden.