Lange Zeit war das Thema Migration, das in Österreich bekanntlich Wahlen entscheiden kann, von der Bildfläche verschwunden, abgesehen von einem Intermezzo über die Abschiebung einiger Familien Ende Jänner überdeckt von der Pandemie und deren unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag.

Gleichzeitig mit sinkenden Inzidenzen und einer ÖVP, die nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und juristischen Niederlagen gegen den Untersuchungsausschuss derzeit ein wenig außer Tritt wird, bekommt das Migrationsthema aber neue Konjunktur - gleich an drei Fronten wird aktuell heiß diskutiert, auch unter den türkis-grünen Partnern.

1 Weiter nach Afghanistan abschieben?

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist seit Jahren kritisch, Experten befürchten zudem, dass die radikalen Taliban nach dem Abzug der USA rasch das Machtvakuum füllen werden. Ein Thema, das für Österreich sehr relevant sein kann, denn Afghanen stellen seit Jahren einen der größten Anteile an Asylsuchenden in Österreich: 3.137 Menschen waren das 2020, ein Fünftel aller neu angekommenen Asylwerber.

Justizministerin Alma Zadić von den Grünen hat am Freitag gefordert, die Abschiebepraxis nach Afghanistan zu evaluieren. Ein kategorisches Njet kommt dazu vom Koalitionspartner: In einer gemeinsamen Aussendung beteuern Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer - der eigentlich zuständige -, ein Abschiebungsstopp "kommt definitiv nicht. Das wird es mit uns nicht geben".

2 Asyllager außerhalb der Union

Umgekehrt war es diese Woche bei einem anderen Asyl-Thema. Nehammer hatte bei einem Besuch im (sozialdemokratisch regierten) Dänemark wieder einmal Sympathie für eine gemeinsame EU-Strategie gezeigt, außerhalb der Union Asyllager zu errichten, um zu verhindern, dass Migranten überhaupt die Grenzen Europas erreichen. Eine Idee, die schon unter der türkis-blauen Regierung erwogen worden war, bisher aber sowohl rechtlich als auch an der Tatsache gescheitert war, dass andere Staaten bisher eher nicht Schlange standen, um Migranten für Europa aufzufangen.

Eine klare Absage setzte es kurz darauf seitens der Grünen: "Vorschläge zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten gibt es immer wieder. Sie alle haben gemeinsam, dass sie nie auch nur im Ansatz funktioniert haben und schlicht gegen geltendes EU- und Völkerrecht verstoßen", so der grüne Asylsprecher Georg Bürstmayr in einer Aussendung: Eine solche Lösung werde es mit den Grünen jedenfalls nicht geben

3 Einfacherer Zugang zur Staatsbürgerschaft

Eine dritte Front haben nicht die Koalitionsparteien aufgemacht, sondern die SPÖ: Sie ist - kurz vor ihrem Parteitag am kommenden Wochenende - mit dem Vorschlag in die Welt gezogen, angesichts zigtausender Menschen in Österreich, die nicht wählen dürfen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu vereinfachen. Regelmäßig sollte demnach nun schon nach sechs Jahren (bisher zehn) ein Anspruch auf Einbürgerung entstehen, bürokratische Hürden abgebaut werden und Kinder, die in Österreich geboren sind, sollten unter bestimmten Bedingungen automatisch Staatsbürger werden.

Auch hier zeigt sich die Koalition gespalten: Während die Grünen den Vorschlag von Vizekanzler Werner Kogler abwärts enthusiastisch begrüßen - sie setzen sich seit Jahren für einfacherer Einbürgerung ein -, steht die ÖVP auch hier auf der Bremse: Sie will am Staatsbürgerschaftsrecht nicht rütteln (am Sonntag argumentierte etwa Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in der Kleinen Zeitung dagegen). Allenfalls könnte man sich vorstellen, Österreichern im Ausland zu erlauben, eine zweite Staatsbürgerschaft anzunehmen, worauf Auslandsösterreicher-Verbände drängen.

Ungleiche Partner

Was diese Konflikte von anderen Feldern (etwa den Querelen um Justiz und U-Ausschuss) unterscheidet: ÖVP und Grüne haben sie vorausgesehen und nicht nur im Koalitionspakt vereinbart, im Wesentlichen nichts an der bestehenden Rechtslage im Migrationsbereich zu ändern - sie haben sogar einen "koalitionsfreien Raum" vereinbart.

Bei "Krisen im Bereich Migration und Asyl" ist zunächst eine schrittweise Mediation zwischen den Parteien durchzuführen - einigt man sich trotzdem nicht, dürfen einander die Parteien theoretisch auch gegenseitig überstimmen.