Vor der Wiener Messe hat sich eine  Menschentraube gebildet. Eine Hand voll Männer und Frauen stehen zusammen. Sie umarmen sich, rauchen und genießen die warmen Sonnenstrahlen, bevor sie durch die Glastüren ins Innere schlendern. 400 Delegierte der Wiener FPÖ kommen an diesem Vormittag in der großen Halle zusammen, um am Landesparteitag ihren Interimsvorsitzenden Dominik Nepp auch offiziell in den Chefsessel zu wählen. Eigentlich hätte das schon längst geschehen sollen, Corona hatte ein Zusammentreffen der Funktionäre jedoch verhindert.

Und auch an diesem Morgen findet man sich nicht in gewohnt geschlossenen Reihen vor der Bühne ein, sondern verteilt sich brav auf Einzeltische, die weit auseinander stehen. Statt Buffet liegen Proviantboxen auf den Tischen. "Da kommt halt auch echt keine Stimmung auf“, raunt ein Funktionär. „Sei froh, dass wir überhaupt noch dürfen“, entgegnet ein anderer. Beinahe jeder der Anwesenden trägt Maske, nur vereinzelte kleine Grüppchen verzichten phasenweise. Beliebtestes Motiv auf dem Atemschutz: "Kurz muss weg".

"Wenn Kickl den Chefsessel wollte, säße er längst drin"

In der ersten Reihe vor der Bühne nimmt die Spitze der Bundespartei Platz - Parteichef Norbert Hofer und Klubobmann Herbert Kickl. Man demonstriert Einigkeit, begrüßt sich, klatscht sich wenig später ab am Weg von und zur Bühne. "Der sogenannte Krieg zwischen den beiden wird von der ÖVP herbei phantasiert", erklärt ein Funktionär. Eine hohe Delegierte formuliert ihre Antwort auf die Frage, ob Kickl an Hofers Stuhl sägt, jedoch deutlicher: "Wenn Kickl wirklich den Chefsessel wollte, säße er längst drin." Die Unterstützung der Partei wäre ihm sicher, zeigt sie sich überzeugt. "Aber der genießt seine Freizeit lieber auf den Bergen."

In ihren Begrüßungsworten schwören Hofer und Kickl die Partei ein, einig gegen die Machenschaften der Regierung aufzutreten. Laut Hofer müsse man aber auch "positive Emotionen wecken, Sympathien". Den Freiheitlichen stehe aber ohnehin schon bald eine Rückkehr in die Top 3 der stärksten Parteien bevor, prophezeit er. Denn: "Im Mai dürfte es zu neuen Enthüllungen kommen", die die ÖVP "erschüttern" werden. Weitere Details bleibt Hofer an diesem Vormittag schuldig.

Kickl, dessen Rede deutlich länger dauert und die mit mehr Zwischenapplaus bedacht wird, gibt sich artig. Er trage in der Halle "natürlich" eine Maske und fühle sich "wie Zorro" im Kampf gegen die Corona-Politik. Nun sei es auch an der Wiener FPÖ, "Entschlossenheit und Geschlossenheit" zu demonstrieren. "Der Kurs stimmt, die Einstellung stimmt, der Chef stimmt", erklärt er in Richtung Nepp.

Nepp: "Mir wär ein Heurigenbankerl auch lieber gewesen"

Dieser zeigt sich vor seiner Wahl zuversichtlich und erfreut über die Durchführung des Landesparteitages - trotz der ungewohnten Umstände. "Mir wär ein Heurigenbankerl auch lieber gewesen, auf dem man heute den ein oder anderen Gspritzn getrunken hätte", erklärt er. Und er gibt sich kämpferisch: "Auch wenn unser Mund verhüllt ist, lassen wir ihn uns nicht verbieten." Die gültigen Stimmen von 365 Delegierten verhelfen ihm wenig später zum offiziellen Chef-Titel. 97,86 Prozent erreicht der Wiener, Gegenkandidaten gibt es keinen. 

Die Partei ist Nepp dankbar, auch, wenn viele kaum Erwartungen an den früheren Drittplatzierten hatten. Er hat die Partei übernommen, nachdem sein von allen verehrter Vorgänger Heinz-Christian Strache diese mit seinen Skandalen ins Stimmen-Tief gerissen hatte. Und Nepp die Freiheitlichen dann in ihre sichere Niederlage bei der Wien-Wahl geführt hat. "Komfortzone Null Komma Null", beschreibt Kickl diesen Schritt in seiner Ansprache.

Der Name Strache fällt an diesem Landesparteitag übrigens kein einziges Mal auf der Bühne. Lediglich abseits davon. Die Frage, ob man sich überlegt hat, Straches Wunsch nach einer Rückkehr in die "freiheitliche Familie" Folge zu leisten, erntet Lacher. "Das hat er doch nicht einmal selber geglaubt", sagt eine Funktionärin. Auch Parteichef Hofer gibt zu, dass er bei diesem Wunsch lachen musste. "Da gab es nichts zu überlegen."