Herr Präsident, die Corona-Zahlen steigen seit Tagen wieder. Trotzdem fordern Sie nachdrücklich die Öffnung von Lokalen, Hotels usw. Wie geht das zusammen?

Harald Mahrer: Auch Experten sehen das wie wir. Professor Popper (Simulationsexperte an der TU Wien, Anm.) hat zum Beispiel ausgeführt, dass erwartbar war, dass, wenn mehr getestet wird die Zahlen steigen. Wenn ich mit einem Kerzerl im finsteren Wald herumleuchte, werde ich nicht viel sehen, wenn ich dort viele Scheinwerfer aufdrehe, umso mehr.

Die Corona-Kommission des Bundes rät klar von weiteren Öffnungsschritten ab, der Bundeskanzler selbst sieht bereits die nächste Welle anrollen. Wäre eine Öffnung unter diesen Bedingungen nicht ein riesiges Risiko?

Es ist natürlich immer ein Risiko. Aber man muss auch andere Faktoren als nur die Inzidenz abwägen; jene der psychologisch belasteten Kinder, der Depressionen, der Ängste vor Job-Verlust und vieles andere, das auch zu Krankheit und letzten Endes zu Übersterblichkeit führt. Ich war dankbar, dass die Regierung das bei der Entscheidung zur Öffnung des Handels und der persönlichen Dienstleister miteinfließen hat lassen und sie wird das auch jetzt tun. Ja, es ist ein kalkuliertes Risiko - aber eben ein kalkuliertes.

An den Schulen gibt es bereits regelmäßige Tests, trotzdem gibt es immer wieder Cluster-Bildungen. Jetzt schlagen Sie vor, mit Tests in Lokale und ins Kino gehen zu können.

Es gibt immer ein Risiko, aber mir ist lieber, wir finden das in der Legalität heraus, identifizieren die symptomlosen Spreader und unterbinden schnellstmöglich über Kontaktverfolgung die Infektionsketten, als es ist Lockdown und es hält sich niemand mehr daran. Dann haben wir illegale private Treffen und Feiern, völlig unkontrolliert und ohne Tests. Das ist das größere Risiko.

Wie schaut Ihre Idee einer möglichen Öffnung ab März aus?

Wir wünschen uns für die jetzt geschlossenen Branchen, Gastro, Hotellerie, Freizeit und vor allem auch für den Kunst- und Kulturbereich einen Stufenplan – wie wir ihn nach dem ersten Lockdown hatten. Wir haben ja nicht von einem Tag auf den anderen alles aufgemacht, so ähnlich wird das auch jetzt sein. Man wird erste Schritte haben in der Gastro mit einer bestimmten Maximalanzahl von Personen pro Tisch, mit den Abständen der Tische, mit dem Maskentragen und eben mit Eintrittstests und das wird sich dann in Richtung Sommer step by step verändern.

Das Problem war ja nicht so sehr die Öffnung, sondern dass man im Herbst zu zögerlich war, Konsequenzen zu setzen. Soll es auch einen umgekehrten Stufenplan zum Zusperren geben?

Man muss alle Faktoren miteinbeziehen. Ich möchte eine faktenorientierte Betrachtung. Was wir im Frühjahr und im Herbst nicht hatten, sind Impfungen der besonders gefährdeten Gruppen und des Gesundheitswesens. Wir hatten früher überhaupt keine Tests. In der Zwischenzeit wird in der ganzen Welt über das Eintrittstest-Konzept Österreichs gesprochen, das ist eine gute Maßnahme, die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Wenn sich die Zahlen exponentiell weiterentwickeln sollten, gibt es da einen Punkt, ab dem Sie sagen, es geht doch nicht, jetzt zu öffnen?

Das muss die Spitzenpolitik entscheiden, weil das auch ihre Verantwortung ist.

Was wäre aus Ihrer Sicht die Konsequenz, wenn jetzt im März nicht geöffnet werden kann?

Dass der Druck dramatisch zunimmt und Mitarbeiter verloren gehen. Reden Sie mit führenden Hoteliers, die werden Ihnen sagen, dass sie jetzt schon alle Hände voll zu tun haben, die Leute noch irgendwie an Bord halten. Das ist ein echter Kompetenz-Aderlass, den diese Branchen zu verzeichnen haben.

Sie waren selbst ÖVP-Minister. Bekamen Sie je Spenden für eine Gegenleistung angeboten?

Nie.

Mit den Ermittlungen gegen den Finanzminister ist die Nähe zwischen Politik und Unternehmen ins Rampenlicht gerückt. Ist diese Abgrenzung zu unsauber?

Die Frage ist, was versteht man unter Nähe. Es ist klar, dass sich österreichische Spitzenpolitiker ganz besonders im Ausland für die Anliegen der österreichischen Unternehmen standortpolitisch einsetzen. Jede internationale Wirtschaftsdelegation mit Politikern öffnet Türen. Auch wir als WKÖ versuchen selbstverständlich mit großer Inbrunst und hoher Motivation, im Ausland für österreichische Betriebe zu werben.