Dem Gesetz, das den Zwölf-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche gesetzlich etabliert, stimmen schlussendlich nicht nur die Regierungsfraktionen ÖVP und FPÖ, sondern auch die NEOS zu. SPÖ und Liste Pilz stimmten dagegen.

Mit dem Vorhaben bleibt zwar grundsätzlich der Acht-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit bestehen. Ausgedehnt wird aber die mögliche Maximalarbeitszeit. Gegenüber dem ursprünglichen ÖVP-FPÖ-Initiativantrag gab es am Donnerstag noch eine Änderung: So tritt das Vorhaben nicht erst mit 1. Jänner 2019, sondern bereits am 1. September dieses Jahres in Kraft.

Ein SPÖ-Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung fand keine Mehrheit, neben den SPÖ-Mandataren stimmten nur die Abgeordneten der Liste Pilz dafür.

Heftige und emotionale Wortduelle

Das Vorgehen der Regierungsfraktionen, die Ausweitung der Höchstarbeitszeit nun überraschend bereits per 1. September einzuführen, sorgte am Donnerstag im Nationalrat für heftigste, sehr emotional geführte Wortduelle. Am Nachmittag zogen sich die Debatte und die vorgesehene Beschlussfassung enorm in die Länge. Nach vier Stunden schickte vor allem die SPÖ immer mehr Redner ans Pult und verlangte eine namentliche Abstimmung.

Das Gesetz sei von der Industrie bestellt worden, sagte SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. Man habe lange darüber nachgedacht, warum die Regierung diesen massiven Protest in Kauf nehme. Antwort: "Das Gesetz hat sich jemand bestellt wie beim McDonald's beim Drive-trough!" Der Industrielle Stefan Pierer habe sich die Reform gewünscht und dafür Wahlkampf-Finanzhilfe für die ÖVP geleistet.

Schieder: "Ihr nehmt in Kauf, dass hunderttausende Menschen in dem Land ihre Sorgen kundtun. Und Sebstian Kurz ist das wurscht. Ihr fahrt's drüber über die Ängste der Menschen in diesem Land. Heute ist ein schlechter Tag für dieses Land, für den sozialen Frieden in diesem Land."

ÖVP-Klubchef August Wöginger verteidigte sehr emotional die Reformvorhaben. Am Rednerpult zitierte er aus dem Plan A der SPÖ und sagte dann: "Es wird genau das Gleiche umgesetzt wie im Plan A. Überstunden werden bezahlt. Hören Sie auf, Unwahrheiten zu verbreiten!" Den Arbeitnehmern werde "als Überdrüber" ein Rechtsanspruch eingeräumt, ob sie den Ausgleich als Geld oder als Freizeit haben wollten.

Es stehe nirgends, dass man nicht auch in Zukunft Betriebsvereinbarungen abschließen kann, so Wöginger weiter. Man müsse außerdem auch bestehende Betriebsvereinbarungen nicht auslaufen lassen. Arbeitszeit sei insgesamt ein erzwingbares Recht: "Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit."

Ähnlich FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger, die in Richtung SPÖ-Fraktion mehrmals sagte: "Ihr könnts eure Taferln alle umschreiben." Denn das, was die SPÖ behaupte (und auf Protest-Tafeln monierte), nämlich die generelle Einführung des 12-Stunden-Tages, stehe nicht im Gesetz.

Gewohnt wortgewaltig polterte Ex-Neos-Chef Matthias Strolz drauflos: "Sie haben das Gesetz monatelang mit Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer außerparlamentarisch vorbereitet und uns dann über Nacht mit einem Husch-Pfusch überrascht." Es sei mit einer Klagsflut zur Freiwilligkeit zu rechnen, die Menschen würden zu Hunderten und Tausenden vors Arbeitsgericht ziehen - "wollen wir das?" Die Regierung werde diese Ignoranz und Überheblichkeit in den nächsten viereinhalb Jahren nicht durchhalten können ohne "immensen Schaden" für das Land.

SPÖ: Das Parlament wird "schlecht gemacht"

Vor der inhaltlichen Debatte hatte es heftige formale Gefechte gegeben. Mit dem Vorgehen der Regierung werde - vorbei an allen parlamentarischen Usancen - "der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder in einer zu Sitzungsbeginn eigens einberufenen Geschäftsordnungsdebatte. Niemandem im Hohen Haus sei der abgeänderte Abänderungsantrag zugegangen, mit dem noch am Donnerstag das Vorhaben beschlossen werden soll. "Es wäre doch durchaus sinnführend, den Abänderungsantrag den Fraktionen in der Version zuzuführen, die stimmt", so der Abgeordnete. Er kenne das Vorhaben, die Änderung schon per 1. September in Kraft treten zu lassen, nur aus den Medien.

FPÖ-Kubchef Walter Rosenkranz und ÖVP-Klubobmann Wöginger wiesen die Kritik lautstark zurück. Man mache die Arbeit entlang der Geschäftsordnung des Nationalrates, sagte Wöginger - und werde den aktuellen Antrag nun ohnehin an die Fraktionen übermitteln. Man habe den Abänderungsantrag ja bereits letzten Freitag vorgelegt, nun ändere sich ja nur wenig. Auch Rosenkranz pochte darauf, dass die Regierungsfraktionen entlang der Geschäftsordnung agierten.

"Keine kleine Änderung"!

Schieder entgegnete, Wöginger sitze hier einem "Irrtum" auf: "Das ist keine kleine Änderung. Und es wäre durchaus angebracht, dass wir - bevor wir in die Tagesordnung eingehen - schriftlich erfahren, was denn hier geplant ist. Es ist nicht OK, dass man sagt, lest die Zeitung, weil dort haben wir es eh schon verlautbart. So wie Sie vorgehen wird der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht."

Rosenkranz und Wöginger ließ die Kritik unbeeindruckt. Sie warfen vielmehr der Opposition zu harte Protestmaßnahmen gegen einzelne Abgeordnete vor. So seien Protestschreiben gegen den 12-Stunden-Tag und Pflastersteine vor Büros und Häusern von Abgeordneten gefunden worden, beklagten sie: "Was wollen sie uns mit Pflastersteinen mitteilen, die sie vor Firmen und Häuser unserer Abgeordneten legen?", fragte Wöginger. "Fliegen sie das nächst Mal beim Fenster rein? Ich weise diese Vorgangsweise entschieden zurück."

Liste Pilz-Klubchef Wolfgang Zinggl betonte, dass diese "Vorgänge außerhalb des Hauses" nichts mit der Geschäftsordnung zu tun haben. Zum Vorgehen der Regierungsfraktionen sagte er: "Ja, es entspricht der Geschäftsordnung, aber nicht den Usancen des Hauses". Die Fraktionen hätten ein Recht darauf, von Abänderungsanträge rechtzeitig zu erfahren, damit man auch innerhalb der Fraktionen zeitgerecht darüber diskutieren kann. An Sobotka stellte er die Frage, wie er die Wertschätzung des Hohen Hauses angesichts dieses Vorgehens sieht. Nach einer kurzen Stehpräsidiale wurde dann die Sitzung mit dem ersten Tagesordnungspunkt - der Fragestunde an Sportminister Heinz-Christian Strache fortgesetzt.

Morgendliche Demonstration

Vor dem Parlaments-Ausweichquartier in der Hofburg waren unterdessen in der Früh rund 200 Demonstranten dem Aufruf der Jungen Generation der SPÖ gefolgt und demonstrierten lautstark gegen den 12-Stunden-Tag. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Oppositionsabgeordnete, darunter etwa SP-Klubchef Schieder, der gemeinsam mit dem Protestierenden die "Internationale" zum Besten gab.

AK-Chefin: "Respektlosigkeit"

"Respektlosigkeit", wirft unterdessen Renate Anderl, Präsidentin der Bundesarbeitskammer, der Regierung vor, schon nach den Sommerferien den 12-Stunden-Tag anzuordnen. Arbeit auf Abruf, ohne Planbarkeit, ohne Mitwirkung der Betriebsräte und auf Kosten der Arbeitnehmer lehne sie ab.