Im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere wird diese Woche der Zweitangeklagte, Walter Meischberger, befragt. Der frühere FPÖ-Spitzenpolitiker und Trauzeuge Grassers wurde am heutigen Verhandlungstag von Richterin Marion Hohenecker zu den Vorwürfen der Bestechung bzw. Beitragstäterschaft an der Geschenkannahme durch Grasser einvernommen. Meischberger sieht sich nicht schuldig.

Protokoll des 30. Verhandlungstages

Bevor die Sitzung beginnt, händigt Richterin Hohenecker Grassers Anwalt einen USB-Stick mit Mitschnitten der Verhandlungstage 13 bis 23, "Buwog, Staffel 2", scherzt die Richterin. Leises Gelächter im Gerichtssaal. Dann geht es los.

Meischberger hat vor Hohenecker Platz genommen und beginnt mit ihren Fragen. Es geht es darum, wie Meischberger seinen damaligen Freund und Geschäftspartner Peter Hochegger kennengelernt hat. Heute sitzt Hochegger als Drittangeklagter hinter Meischberger, dieser lässt an dem Teilgeständigen heute kein gutes Haar mehr. Er habe Hochegger über einen gemeinsam Freund kennengelernt, erzählt Meischberger. Man sei  sich sympathisch und damit einig gewesen, gemeinsam etwas zu starten - das "Seitenblicke"-Magazin zum Beispiel.

Hochegger sei ein fähiger Agenturfachmann mit guten Kontakten in die Politik gewesen. "Der hat ganz genau gewusst, wie's wirklich läuft", erklärt Meischberger. Man habe stets geteilt, Schriftliches habe es zwischen den beiden jedoch nichts gegeben.

Über die Buwog habe man zum ersten Mal im Jahr 2002 gesprochen. Also deutlich früher, als zehn Tage vor dem Verkauf, wie sein Beratervertrag nahelegt und wovon auch die Staatsanwaltschaft ausgeht.

Und wie war das Verhältnis zu KHG, also Karl-Heinz Grasser? "Ich war einer der engsten Berater der politischen Figur von KH Grasser, der musste eine Marke sein", erklärt der Angeklagte. Grasser habe ja damals ein Nulldefizit angestrebt, "wir haben versucht, diese Politik zu verkaufen". "Und das haben Sie gemacht?", will die Richterin wissen. - "I hobs net gmocht, aber dabei war i schon", sagt Meischberger.

"Regierung is ja net so blöd"

Im Bezug auf die damaligen Privatisierungen fragt Hohenecker, ob man sich damals überlegt habe, dass mit den einmaligen Einnahmen durch den Verkauf laufende Einnahmen wie aus der Buwog verloren gehen würden. "Die Regierung is ja net so blöd und verkauft eine Einnahmequelle, die ihr mehr bringt", antwortet Meischberger. Als Grasser Minister wurde, sei Meischberger zudem circa ein Mal pro Woche im Finanzministerium gewesen. "Hat man Sie dort schon gekannt?", will die Richterin wissen? "Gekannt hat man mich dort schon, so unauffällig war ich grad wieder nicht", antwortet der Angeklagte. Lachen im Gerichtssaal.

Meischberger habe 2003 begonnen, sich mit dem Buwog-Verkauf auseinanderzusetzen, er habe zuvor in Berlin einen ähnlichen Verkauf beobachtet. Der Angeklagte betont zudem immer wieder, ein enges Verhältnis zu KHG gehabt zu haben. Ebenso wie zu Immobilienmakler Ernst Karl Plech, der heute ebenfalls angeklagt ist. Plech sei "ein väterlicher Freund" gewesen. Dieser habe ihm auch immer wieder Geld geboten.

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Boot um 260.000 Euro

Wir machen einen großen thematischen Sprung: Es geht um das berühmte Boot, dass sich Meischberger und Plech gekauft haben. Wie passt das zusammen, dass man hier einen Vertrag erstellt hat, wenn man sonst alles per Handschlag erledigt habe, will Hohenecker wissen. Meischberger holt aus, 2005 habe Plech ihm finanziell ausgeholfen, damit er sich eine Wohnung auf Ibiza leisten konnte. Es sei damals eng gewesen, erzählt Meischberger. "Warum kaufen Sie sich dann ein Boot?". Es habe sich schlicht die Gelegenheit geboten, eines dieser Boote, von denen nur fünf pro Jahr hergestellt werden, zu erstehen. 260.000 Euro wurden für die "Tanit" bezahlt.

Richterin Hohenecker hat genug vom "Bootsausflug", wir kehren zurück zum Buwog-Verkauf. Kallinger (Bauunternehmer und Porr-Berater) habe ihm erzählt, dass die Raiffeisenbank Oberösterreich Interesse an den Bundeswohnungen hat, damit habe sich herauskristallisiert, dass sich ein Konsortium um die Immofinannz bilden werden. Er habe dann gewusst, dass im Mai eine Entscheidung bevorstehen könnte. Zudem habe er gewusst, dass bereits Angebote für die Wohnungen abgegeben wurden. Er sei dazu auch im Austausch mit Hochegger gewesen. Der Buwog-Verkauf sei damals zudem ein "Eldorado für Berater" gewesen.

Er habe sich damals mit Hochegger zusammengetan. Dieser sollte nach außen auftreten, er habe im Inneren gearbeitet. Hochgegger sollte zum damaligen Immofinanz-Chef Karl Petrikovic gehen und ihm anbieten, Informationen aus dem Mark zu liefern. Dieser sitzt heute neben Hochegger auf der Anklagebank und verbüßt aktuell eine Haftstrafe aus einer anderen Verurteilung. Danach sei die Zusage von Petrikovic gekommen, der schriftliche Vertrag sei aber erst ganz knapp vor Schluss erstellt worden, sagt Meischberger. Er, Schöffen und Zuhörer bekommen 20 Minuten Verschnaufpause.

Verteidiger Michael Dohr, bekannt für seine extravagante Garderobe, ist heute übrigens in Pink erschienen:

Meischberger widerspricht Hochegger

Dann geht die Befragung weiter. Es geht um das Zustandekommen des Geschäftsbesorgungsvertrages. Dabei seien Hochegger und Meischberger anwesend gewesen, Plech jedoch nicht. Dieser sei nur zur gleichen Zeit in der Kanzlei gewesen. Damit widerspricht er seinem Mitangeklagten Hochegger, der behauptet hatte, dass Plech bei der Vertragsaufsetzung anwesend gewesen sei. Vielleicht habe er das verwechselt, "weil wir ihn begrüßt haben", mutmaßt Meischberger, "oder er macht das absichtlich, ich weiß es nicht". Mit Hochegger selbst habe er keinen Vertrag gehabt, es habe ein tiefes Vertrauensverhältnis gegeben.

Meischberger habe vor dem Verkauf erfahren, dass hinter dem Konkurrenz-Bieter CA  Immo die Bank Austria stehe. Und dass diese bis zu einer Milliarde gehen wolle. "Es war aber ein Gerücht, keiner hat jemals eine Finanzgarantie in diese Richtung gesehen." Zudem habe "der Bundesfinanzminister", also Grasser, bei einer Pressekonferenz ebenfalls von einer Milliarde als Erlösziel gesprochen. Auch dass ein Niederländer eine Milliarde bieten wolle, habe Meischberger aus "seinem Kreis" erfahren. Dieser habe dann aber nicht geboten.

Haider als Tippgeber

Dann begann das "große Zittern", erzählt Meischberger, der die Abwicklung der Buwog als "Geschäft seines Lebens" bezeichnet hatte. Es ging um viel, "ich hab gewusst, ich hab noch nie in meinem Leben so viel verdient und werde wahrscheinlich auch nimmer verdienen". Dann folgte ein Anruf von Ex-Landeshauptmann Jörg Haider. Dieser habe ihn gefragt, ob er wisse, dass es eine zweite Bieterrunde gebe. Davon habe er nichts gewusst, schon gar nicht von den gebotenen Summen. Haider habe ihm diese verraten, "und das Konsortium war weit hinten".

Meischberger sei erbost gewesen, dass das Konsortium nicht auf ihn und Hochgegger gehört habe. Denn beide hätten zu einem Angebot in Richtung einer Milliarde geraten. Haider habe ihm gesagt, dass es nun eher um 960 Millionen gehe. Daraufhin habe Meischberger sofort Hochegger angerufen und ihn von der zweiten Bieterrunde informiert. Und dieser sollte dann dem Konsortium eingehend raten, "jedenfalls über 960 Millionen" zu bieten.

Nachtrag zur zweiten Bieterrunde: Diese habe Haider selbst gewollt und Meischberger habe gewusst: Wenn Haider das will, bekommt das Haider auch. "Weil in Wahrheit hat die Regierung damals gar nix gegen den Willen Haiders durchsetzen können." Zur Erinnerung: Meischberger hatten sich erst kurz zuvor wieder versöhnt - bei einer Geburtstagsfeier von Ex-Skifahrer Franz Klammer.

"Zerrüttetes" Verhältnis zwischen Haider und KHG

Richterin Hohenecker gönnt Meischberger eine Mittagspause, dann geht es weiter - und zwar mit dem Verhältnis zwischen Haider und Grasser, das Meischberer auf persönlicher Ebene als "zerrüttet" bezeichnet. Haider habe KHG als seinen Nachfolger gesehen, das sei ja dann anders gekommen. Nach der "Knittelfelder Auseinandersetzung" habe man sich voneinander entfernt.

Ein kurzer, fast philosophischer Einschub von Meischberger: "Die Aura der Macht wirkt wie ein Magnet". Das könne sich niemand vorstellen, der nicht drin ist, erklärt er. Eine solche Magnetwirkung habe auch Grasser bekommen, als er Finanzminister wurde.

Zurück zu Haider: Dieser habe damals das berühmte Vorkaufsrecht auf die Buwog "erzwungen". Die damalige Regierung habe ihm das gewährt, weil man sich Haider "nicht zum Feinde machen wollte". Quasi als "Beruhigungspille für den damals erbosten Haider".

Zurück zur zweiten Bieterrunde. Eine Woche nach der ersten Runde habe die Deadline für die Angebote für die zweite Runde geendet. Hier habe er "nicht mehr beitragen" können. Haider habe ihm zuvor die Gebote der anderen Mitbieter verraten und das Faktum, dass die CA Immo eine Finanzierungszusage von 960 Millionen erhalten hatte. Später habe er dann im Autoradio erfahren, dass das Österreich-Konsortium den Zuschlag bekommen hatte.

"Schärfe" der Richterin

Danach war klar, dass Hochegger und ihm Provision zusteht, erzählt Meischberger. Er habe dann dem Konsortium zeit gegeben, wer davon welchen Teil der Provision übernimmt. Die Richterin zeigt sich irritiert: "Das kann Ihnen als Zahlungsempfänger ja egal sein, was die intern zu regeln haben." Meischberger antwortet grinsend: "In Ihrer Schärfe, wie wir Sie von Ihnen kennen, wären Sie wahrscheinlich so vorgegangen", sagt Meischberger. Für das Eintreiben des Geldes sei zudem Hochegger zuständig gewesen.

Dann geht es wieder um das Schloss, das den beiden als Provisionszahlung von der RLB Oberösterreich angeboten worden sei. "Keiner von uns braucht ein Schloss. Das ist auch ganz schwer, so etwas 80 zu 20 aufzuteilen. Ich glaub ich hab mich sogar lustig gemacht, am Telefon, über diese Schloss-Situation", erzählt Meischberger.

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Dann sei es schon bald um die Abrechnung "über's Ausland" gegangen. Wir erinnern uns: Die Provision in Höhe von rund 10 Millionen Euro floss über die zypriotische Firma "Astropolis", die Hochegger gehörte. Dies habe den Auszahlungsprozess in die Länge gezogen, dann gab es aber grünes Licht für die Zahlung. "In meiner Einfachheit, nicht in meiner Schärfe" will Richterin Hohenecker die Rechnungslegung verstehen. Meischberger erklärt: "Ich wollte nicht, dass weder in meinem Bekanntenkreis, noch in meiner Familie bekannt wird, dass ich derartig viel Geld verdient habe", erzählt Meischberger. Auch die Öffentlichkeit sollte nichts davon erfahren. "Aber fällt das nicht auf, wenn Sie sich ein Haus in Wien und Ibiza kaufen und ein Boot?", fragt die Richterin. Meischberger winkt ab.

Zudem wollte er seinen Freund Grasser schützen. "Wie kommt der Grasser dazu, dass er - weil sein Freund dieses Geschäft gemacht hat - in diese Sache hineingezogen wird."

"Na, der Grasser hätt si do net auskennt"

Überraschte Blicke gibt es bei vielen der Anwesenden, als Meischberger erklärt, dass er den Buwog-Deal "jederzeit wieder machen" würde. Er würde aber die Abwicklung des Geschäftes anders angehen. Nun geht es am Ende des Sitzungstages noch um Meischbergers Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Er habe das Buwog-Gesetz damals schlicht anders ausgelegt und war sich keiner Schuld bewusst. "Aber Sie hätten ja jemanden gehabt, den sie fragen hätten können", sagt die Richterin mit Blick auf Grassers. Meischbergers Antwort sorgt für das lauteste Gelächter des Verhandlungstages: "Na, der Grasser hätt si do net auskennt." Auch Grasser lacht. Meischberger entschuldigt sich, die Richterin lacht: "Bei mir müssen Sie sich nicht entschuldigen."

Damit endet der 30. Sitzungstag,

GRASSER PROZESS: HOCHEGGER / MEISCHBERGER
GRASSER PROZESS: HOCHEGGER / MEISCHBERGER © (c) APA/ROLAND SCHLAGER/APA-POOL (ROLAND SCHLAGER/APA-POOL)

Rückblick auf den letzten Verhandlungstag

Am letzten Verhandlungstag hatte Meischberger die von der Richterin eingeräumte Gelegenheit ausführlich genutzt und einen ganzen Verhandlungstag lang seine Sicht der Dinge dargestellt. Dabei richtete er heftige Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft und gegen die Medien. In der Öffentlichkeit werde er nur als "Grassers Trauzeuge" wahrgenommen, dabei habe er als "strategischer Berater" während der ÖVP-FPÖ-Regierung ab dem Jahr 2000 seine Kontakte zu FPÖ-Spitzenpolitikern und -Entscheidern gewinnbringend genutzt und wichtige Arbeit geleistet, meinte er.

Diese Woche sind drei Verhandlungstage, von Dienstag bis Donnerstag, angesetzt. Am morgigen Dienstag, dem 30. Verhandlungstag im Prozess, wird vermutlich nur die Richterin Meischberger ausführlich befragen. Aber auch die anderen Berufsrichter, die Schöffen (Laienrichter), die Privatbeteiligten, die Staatsanwälte und die Verteidiger der übrigen Angeklagten haben ein Fragerecht. Beobachter rechnen daher damit, dass Meischberger alle drei Tage am "heißen Stuhl" sitzen wird.

Der Hauptangeklagte, Ex-Finanzminister Grasser (FPÖ/ÖVP), ist bisher noch nicht einvernommen worden und muss weiter auf seine Befragung warten.

Den Prozess können Sie hier im Live-Ticker verfolgen: