Jeden gegen jeden - diesen Eindruck gewinnt der Beobachter angesichts der Irrungen und Wirrungen rund um die anonyme Anzeige gegen den Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Gridling. Eine Hausdurchsuchung mit Folgen: Eine Sondersitzung des Parlaments und wohl auch ein Untersuchungsausschuss werden sich mit den Hintergründen beschäftigen.

Hier ein Versuch, die Akteure zu sondieren - auf Basis vertraulicher Gespräche mit politischen Insidern und Recherchen der Wiener Stadtzeitung "Falter":

Peter Gridling: Seit 2008 Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Gegen ihn und andere Beschuldigte wurde am 28. Februar eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Unter Gridlings Verantwortung hat das BVT hervorragende Arbeit in der Terrorabwehr insbesondere in Zusammenhang mit Islamisten geleistet, was der FPÖ gefällt, und eine Extremismus-Abteilung aufgebaut, die insbesondere rechtsextreme (und oft FPÖ-nahe) Aktivisten aufs Korn nahm, was der FPÖ weniger gefällt. Er wurde nun von Innenminister Herbert Kickl zwar im Amt wiederbestellt, aber gleichzeitig bis zur Klärung der Vorwürfe suspendiert.  Er ist sich "keiner Schuld bewusst" und will sich wehren, ein Anwalt ist bereits damit beauftragt.

Wolfgang Zöhrer: Früher Stellvertreter von Peter Gridling als BVT-Chef, ebenfalls von der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit Gridling und vier weiteren  als Beschuldigter geführt. Zöhrer warf im Innenministerium Ende 2017 das Handtuch.

Herbert Kickl: Seit 18. Dezember 2017 Innenminister, zuvor Generalsekretär der FPÖ. Schon am ersten Tage im Amt erregte er Aufsehen damit, in wessen Hände er die "Kommunikationsarbeit" legte, in jene Alexander Höflers nämlich, der zuvor als Chefredakteur der Fake-News-Plattform "Unzensuriert" agierte, über die vorzugsweise gegen Flüchtlinge vom Leder gezogen wird. Als politischen Adjutanten im bisher ÖVP-dominierten Ministerium installierte er Peter Goldgruber.

Peter Goldgruber: Generalsekretär im Innenministerium. Goldgruber war einst ein Roter, dann ein Schwarzer und ist jetzt ein Blauer. Er war Wiener Polizeiabteilungsleiter und ist jetzt der oberste Chef aller Beamten im Innenministerium, diesen vorgesetzt und ihnen gegenüber weisungsberechtigt. Goldgruber war Personalvertreter der rechten Personalgewerkschaft AUF.

Wolfgang Preiszler: Polizeiinspektor in Wien, ebenfalls freiheitlicher Personalvertreter und gut bekannt mit Goldgruber. Preiszler führt eine Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität, die bei den gegenständlichen Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft assistierte. Preiszler ist FPÖ-Gemeinderat in Guntramsdorf und fiel politisch durch sehr rechte, zuwanderungskritische Positionen auf.

Dominik Fasching: Chef der Abteilung für strategische Analyse und stellvertretender BVT-Chef, jetzt interimsmäßig mit der Leitung betraut, nachdem Peter Gridling suspendiert wurde.

Martin Weiss: Leiter der mächtigen Abteilung 2 im Innenministerium, zuständig für Gefahrenerforschung und Gefahrenabwehr in Zusammenhang mit Extremismus, Terrorismus, Spionage, und illegalem Handel mit Kriegsmaterial, selbst seit einem Jahr im Krankenstand. Weiss wollte stellvertretender BVT-Chef werden, wurde jedoch bei der Beförderung übergangen, Wolfgang Zöhrer bekam den Job. Dem Vernehmen nach hat er das nicht verkraftet. Beobachtern fiel auf, dass seit seinem Wechsel in den Krankenstand Konvolute mit teils wirren Behauptungen über Vorgänge im BVT kursieren, die aber ein Insiderwissen enthalten, das nur einer wie er haben kann. Die Dossiers wurden von Staatsanwaltschaft wie Journalisten für wertlos befunden.

Gert-René Polli: Ein gelernter Tischler, der beim Heeresnachrichtendienst Karriere machte. Unter Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel und Ex-Innenminister Ernst Strasser stieg er zum BVT-Chef auf. Später wurden ihm unzulässige Kontakte zum Iran nachgesagt, dem er verschiedene Dokumente übermittelt haben soll, was aber nie bewiesen werden konnte. Polli und Gridling mögen einander nicht. Polli und Weiss verstehen einander gut.

Gabriel Lansky: Wiener SPÖ-naher Rechtsanwalt, der in Zusammenhang mit der Alijev-Affäre (ein unter Mordverdacht stehender Ex-Botschafter von Kasachstan, der im Gefängnis angeblich Selbstmord beging, was viele Fragen offen ließ) aktiv war. In der Folge wurden bei ihm vom BVT Akten beschlagnahmt. Sein rechtliches Vorgehen dagegen hatte Erfolg, die Akten wurden jedoch offenbar nicht gelöscht sondern sogar noch an andere Stellen weitergereicht und dort gespeichert. Lansky erstattete Anzeige, die Akte wurde an die Korruptionsstaatsanwaltschaft weitergereicht. Diese Anzeige, die alten Dossiers und vier neue Zeugen, die das Innenministerium aufbot, waren offenbar Grundlage dafür, dass GBVT-Chef Gridling nun als Beschuldigter geführt wird, und Anlass für die Hausdurchsuchungen Ende Februar.

Sibylle Geissler: Leiterin der Extremismusabteilung im BVT, die von Gridling in den vergangenen Jahren aufgebaut wurde, zum Missfallen der FPÖ, deren Aktivisten zum Teil ins Fadenkreuz der Rechercheure gerieten. Im Zuge der Hausdurchsuchung Ende Februar wurde eine Menge sensibler Daten aus ihrem Computer beschlagnahmt, obwohl sie von der Staatsanwaltschaft nur als Zeugin geführt wird.

Josef Moser: Justizminister, der die Vorgangsweise der Korruptionsstaatsanwaltschaft am Mittwoch für zulässig und angemessen erachtete.

Christian Pilnacek: Generalsekretär im Justizministerium, Beschwichtigungshofrat im Auftrag Josef Mosers und der ÖVP-Regierungsmannschaft, der dafür Sorge tragen soll, dass die Sicherheitspolitik der Regierung keine Schlagseite bekommt (oder öffentlich so dasteht, als hätte sie eine).

BVT-Hausdurchsuchung: Laut Kurz und Strache "alles rechtskonform"