Treten im Juni und Juli die neuen Regeln zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (Geas) in Kraft, werden die Augen vor allem auf die EU-Außengrenzen gerichtet sein. Dort soll künftig ein großer Teil der Asylverfahren abgewickelt werden: Für Schutzsuchende aus Ländern mit unionsweit weniger als 20 Prozent Anerkennungswahrscheinlichkeit gibt es künftig ein Schnellverfahren mit kürzeren Fristen und weniger Rechtsmitteln; die Unterbringung erfolgt unter haftähnlichen Bedingungen. Ziel ist es auch, Menschen bei einem negativen Ausgang rascher abschieben zu können.
Österreich hat zwar auch eine EU-Außengrenze zur Schweiz und zu Liechtenstein, in Bezug auf die Migration fallen allerdings die internationalen Flughäfen eher ins Gewicht. Klar ist aber, dass auch das heimische Asylwesen in den kommenden Monaten einer grundlegenden Reform unterzogen werden muss. Acht Verordnungen und eine Richtlinie aus Brüssel gilt es umzusetzen. Entsprechende Gesetzesentwürfe hat die schwarz-rot-pinke Bundesregierung bisher nicht präsentiert.
Offene Fragen bei subsidiär Schutzberechtigten
Aus der Koalition wird gegenüber der Kleinen Zeitung betont, dass die Verhandlungen zur Asylreform noch laufen, allerdings sei man bereits weit gekommen. Nur einzelne Knackpunkte – im Wesentlichen dürfte es um Kompetenzfragen gehen – seien noch auszuräumen. Im Jänner dürften die Neuerungen präsentiert werden – ein halbes Jahr, bevor Europas Asylsystem neu geordnet sein muss.
Bis dahin ist noch einiges zu klären. Da wären einerseits die subsidiär Schutzberechtigten: Der Zugang zu diesem Status wird EU-weit erschwert, künftig muss ein Akteur genannt werden, von dem Gefahr für den Betroffenen ausgeht. Überlegungen, in Österreich zusätzlich zu Asyl und subsidiärem Schutz einen neuen Status zu schaffen, scheinen momentan vom Tisch zu sein. Möglich also, dass künftig ein Plus bei humanitären Aufenthaltstiteln und Duldungen verzeichnet wird.
Diskussionen um Zuständigkeit für unbegleitete Minderjährige
Mindestens so großes Kopfzerbrechen dürfte den Koalitionspartnern bereiten, welche Leistungen den subsidiär Schutzberechtigten künftig zustehen. Grundsätzlich sollen deren Rechte an die von Asylberechtigten angeglichen werden, doch der Gesetzestext aus Brüssel lässt offenbar Interpretationsspielraum. In Wien und Tirol hatten subsidiär Schutzberechtigte bisher wie Asylberechtigte Anspruch auf Mindestsicherung, ab dem Jahreswechsel sollen sie in allen Bundesländern nur noch Grundversorgung (wie Asylwerber während ihres Verfahrens) erhalten. Um das weitere Vorgehen tobt ein Kompetenzstreit: Für die Wohnversorgung von subsidiär Schutzberechtigten sei durch die Reform künftig der Bund zuständig, richtete etwa der Wiener Soziallandesrat Peter Hacker (SPÖ) im „Standard“-Interview dem Innenministerium aus.
Auch sonst werden Bund und Länder neue Kompromisse finden müssen. Lukas Gahleitner-Gertz, Rechtsexperte beim Verein Asylkoordination, verweist etwa auf die Unterbringung von Asylwerbern während ihres Verfahrens. Bisher ist dies Aufgabe des Bundes, bis feststeht, ob Österreich für das Asylverfahren zuständig ist. Dann übernehmen die Länder. Wie das künftig gehandhabt wird, müsse erst geklärt werden. Unklar ist auch, bei wem die Obsorge unbegleiteter Minderjähriger liegen soll. Diese soll künftig ab dem ersten Tag gelten, bisher war für jugendliche Flüchtlinge oft über Wochen niemand zuständig.
Wenig ändern dürfte sich bei regulären Asylverfahren, also von Personen, die eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit haben, Schutz zu erhalten. Grundsätzlich soll in Österreich dasselbe Prozedere gelten wie an den Außengrenzen: In einem Screening soll die Identität festgestellt werden, außerdem abgeschätzt werden, wie vulnerabel eine Person ist, oder ob diese eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnte. Je nach Ergebnis gibt es entweder ein reguläres oder ein beschleunigtes Verfahren. Was sich im Vergleich zu den derzeitigen Abläufen tatsächlich ändert, ist noch offen – immerhin gibt es bereits jetzt Schnellverfahren in Österreich. Zu erwarten sind wohl mehr freiheitsbeschränkende Maßnahmen für Asylsuchende.