Seit Donnerstag wird in den Koalitionsgesprächen zwischen FPÖ und ÖVP auch die Landesverteidigung verhandelt. In grundsätzlichen Fragen liegen die Positionen nicht weit auseinander, der vor mehr als zwei Jahren begonnene „Aufbauplan 2032+“ soll jedenfalls fortgesetzt werden. Die Freiheitlichen erachten die Anhebung des Budgets – heuer überschreitet es die Marke von 4 Milliarden Euro – sogar als zu gering. Neben einer möglichen Wiedereinführung der Übungspflicht bei der Miliz samt Wehrdienstverlängerung (Wunsch der FPÖ) gilt aber vor allem Österreichs Beteiligung an der europäischen Luftverteidigungsinitiative Sky Shield (ÖVP) als hohe Hürde.
Der Ausstieg war ein blaues Wahlversprechen. FPÖ-Chef Herbert Kickl befürchtet einen „Nato-Beitritt durch die Hintertür“ und eine Unvereinbarkeit mit der Neutralität, seine Bedenken gelten vor allem der künftigen Kommandostruktur und dem grenzüberschreitenden Betrieb der Luftabwehr. Im Kabinett von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) versucht man zu kalmieren, Sky Shield sei nie Koalitionsbedingung gewesen, aber „natürlich werden wir darum kämpfen.“
Doch die Situation sei gar nicht so verfahren, wie es nach außen dargestellt wird, glauben mit der Materie vertraute Militärs. Handle es sich bei der „Europäischen Sky Shield Initiative“ (ESSI) doch nur um einen Arbeitstitel, der dem eigentlichen Zweck als gemeinsame Einkaufs- und Ausbildungsplattform kaum entspreche. 22 europäische Staaten sind derzeit an Bord – bis auf die Neutralen Österreich und Schweiz alles Nato-Mitglieder. Mit der Schweiz und Deutschland haben Österreichs Luftstreitkräfte bereits bilaterale Vereinbarungen, etwa was den Radardatenaustausch betrifft. Und auch mit der Nato ist unser Militär viel enger vernetzt, als vielen bewusst sein dürfte.
Ausbildung als kritischer Aspekt
Zentraler Punkt für das Bundesheer und wohl auch für die ÖVP ist der Einstieg in die bodengebundene Luftabwehr mittlerer Reichweite (bis 50 Kilometer), wie er auch im Aufbauplan vorgesehen und mit rund zwei Milliarden Euro budgetiert ist. Der Plan umfasst acht mobile Feuereinheiten. Deren Notwendigkeit ist auch der FPÖ bewusst. Ein Kauf im Rahmen von Sky Shield – hier wäre das deutsche System „Iris-T SLM“ erste Wahl – käme aufgrund der höheren Bestellmenge günstiger, die Luftabwehr wäre auch schneller für Österreich einsatzbereit, sind die Experten im Heer überzeugt. Kritischster Aspekt sei aber die Ausbildung, da das Bundesheer mit der Mittelstrecke eine völlig neue Fähigkeit aufbauen muss. Daher sei man auf die Zusammenarbeit mit anderen Streitkräften angewiesen. Zwei Bataillone aufzustellen und auszubilden, sprenge die eigenen Kapazitäten. Für Sky Shield-Teilnehmer ist hingegen in Todendorf (Deutschland) ab 2026 ein gemeinsames Ausbildungszentrum geplant.
Keine große Rolle mehr spielt in diesen Überlegungen die Raketenabwehr auf der Langdistanz, für die es zwar einen Grundsatzbeschluss der Regierung aus dem November 2023, aber noch keine finanzielle Bedeckung gibt. Die „Long Range“ hat jedoch mit Sky Shield selbst gar nichts zu tun, auch wenn das von der Politik oft missverständlich kommuniziert wird. Die Beschaffung eines Systems der Größenordnung „Patriot“ oder „Arrow 3“ mit Kosten von gut vier Milliarden Euro wäre mit der dringend notwendigen Budgetkonsolidierung auch nur schwer vereinbar. Zumal fehlt dem Bundesheer mittelfristig das dafür notwendige Personal.
Ausstieg rechtlich kein Problem
Ein für beide Seiten gesichtswahrender Kompromiss scheint also in Reichweite. Rechtlich wäre ein Ausstieg aus der Initiative jedenfalls keine Hürde, bisher hat Tanner lediglich ein „Memorandum of Understanding“ unterschrieben. Damit hat Österreich Einsicht in alle Dokumente und sitzt mit Stimme mit am Tisch, einen bindenden Vertrag gibt es jedoch noch nicht. Wobei die Sky-Shield-Befürworter dringend dazu raten, vor einem Ausstieg noch Vergleichsangebote einzuholen. „Das wäre auch im Sinn des Steuerzahlers.“