Den klassischen Arbeiter – oder eben Hackler – gibt es so schon lange nicht mehr. „Vor 40 Jahren waren die Arbeiter auch keine Hilfsarbeiter. Das waren gelernte Fachkräfte, die einer körperlichen Tätigkeit nachgingen. Über die Jahre hinweg wurde der Anteil der Leute, die im Büro arbeiten, aber immer größer und viele Hilfsarbeiterjobs mit Menschen besetzt, die kein Wahlrecht in Österreich haben“, erklärt der Meinungsforscher Peter Hajek.
Christoph Hofinger vom Sozialforschungsinstitut „Foresight“, sieht es genauso: „Die Arbeitnehmeridentität ist im Wandel begriffen.“ Die Gruppe jener ohne Pflichtschulabschluss werde immer kleiner und koppelte sich vom Rest der Gesellschaft ab. „Außerdem wurden die Leiharbeitsverträge, über welche viele Hilfsarbeiter ja in die Unternehmen kommen, in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger. Für die Betroffenen machte sich ein fortgesetztes Gefühl des Nichtdazugehörens breit.“
Heute gilt: Der ideologische Überbau, den die Arbeiterschaft Ende des 19. und 20. Jahrhunderts hatte, ist längst perdu. „Früher hieß es: Bist du Arbeiter, wählst du rot. Das waren die SPÖ und die KPÖ. Mittlerweile gehört da aber auch blau dazu“, so Hajek. Tatsächlich präsentiert die FPÖ schon lange als neue Arbeiterpartei. Jörg Haider wusste wie kaum ein Zweiter, die wirtschaftliche Schieflage der 1980er-Jahre für sich und die FPÖ zu nutzen. Teile der staatlichen Industrie waren bankrott, Arbeitsplätze gingen verloren. Und die Freiheitlichen konnten sich über ihr erstes Umfragehoch freuen.
„Die Anti-Eliten-Erzählung der FPÖ fruchtete“, so Hofinger. Zu dieser Zeit begann der Wandel der FPÖ zur Hackler-Partei.
48 Prozent der Hackler machten bei der Nationalratswahl 2019 bei der FPÖ ihr Kreuzerl, 23 Prozent bei der SPÖ, dicht gefolgt von der ÖVP unter Sebastian Kurz mit 21 Prozent. Bei der Steiermark-Wahl 2015 wählten sogar 61 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter die FPÖ.
Differenzierung bei Migrationshintergrund
42 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund sind Arbeiter. Sie wählen selten die FPÖ und machen seltener von ihrem Wahlrecht Gebrauch – sofern sie dieses besitzen. „Migrationshintergrund ist nicht gleich Migrationshintergrund. Da gibt es die deutsche oder türkische Community oder jene aus Ex-Jugoslawien. In diese Gruppen genau hineinzugehen und sie genauer zu studieren ist sehr aufwändig“, so Hajek.
Das Ende der Arbeiterparteien wurde schon oft prognostiziert, unter anderem von Ralf Dahrendorf. Allerdings bezog sich der deutsch-britische Soziologe auf die traditionelle Sozialdemokratie, die ihre historische Aufgabe erfüllt hätte. Was dieser nicht ahnen konnte, ist, dass sich eine ehemalige Honoratiorenpartei zur neuen Arbeiterpartei entwickelte. Angesichts ihrer Umfragewerte kann davon ausgegangen werden, dass die FPÖ im Herbst erneut zur mit Abstand stärksten Arbeiterpartei wird.
Trotzdem: Wenn stimmt, dass Hackler eine immer kleiner werdende Gruppe sein werden, drängt sich die Frage auf: Hat eine reine Arbeiterpartei noch Zukunft? Für Hofinger nicht: Kleinparteien wie die Bierpartei oder KPÖ sieht er als unangenehme Konkurrenz für die FPÖ, die sie nicht ignorieren kann, „denn die Anti-Eliten-Erzählung nutzt der FPÖ nicht gegenüber diesen Kleinparteien.“