Schlechte Nachrichten für den Finanzhaushalt der Republik. Das Maastricht-Defizit Österreichs dürfte laut einem am Mittwoch veröffentlichten Budgetausblick des Fiskalrates deutlich über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent liegen. Für 2024 wird ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwartet, für 2025 ein Defizit von 3,2 Prozent. Das liegt deutlich über den von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für die Jahre 2024/2025 veranschlagten 2,9 bzw. 2,8 Prozent.

Die Maastricht-Defizitobergrenze von 3 Prozent des BIP „wird damit deutlich überschritten“, heißt es seitens des Fiskalrates. Diese neuen Zahlen werfen auch die erst im Dezember vorgelegten Erwartungen von einem Defizit von jeweils nur 2,3 Prozent für heuer und das kommende Jahr völlig über den Haufen.

Die deutliche Verschlechterung der Budgetsalden gegenüber 2023 ist demnach vor allem auf neue Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung zurückzuführen. Der Fiskalrat nennt hier die Verlängerung der Strompreisbremse, die neuerliche Aussetzung der Energieabgaben, das Wohnbaupaket sowie die verzögerten und überproportionalen Ausgabensteigerungen durch die hohe Inflation der letzten Jahre als Gründe. Ebenso spiele die Konjunkturverschlechterung eine Rolle.

Prognosen liegen weit auseinander

Laut Fiskalrat wird aufgrund der erwarteten hohen Budgetdefizite auch die Schuldenquote steigen – und zwar trotz des hohen nominellen BIP-Wachstums. 2024 erwartet der Rat ein Plus von 0,7 und 2025 um 0,6 Prozentpunkte. Damit würde die Schuldenquote bei 78,4 Prozent des BIP (2024) bzw. 79,1 Prozent (2025) liegen. Im Voranschlag des Finanzministers war für 2024 eine Quote von 76,4 Prozent angenommen worden, für 2025 eine von 76,5 Prozent. Das Finanzministerium wird Ende April seine aktualisierte Finanzplanung nach Brüssel schicken.

Die aktuelle Einschätzung des Fiskalrats kommt auch deshalb überraschend, weil sie sich doch deutlich von jenen der zwei wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstitute im Land unterscheidet. Erst Ende März hatten Wifo und IHS ihre aktuellsten Prognosen präsentiert: Während das Wifo heuer mit einem Budgetdefizit von 2,9 Prozent des BIP rechnet, sagt das IHS ein Minus von 2,2 Prozent voraus. Diese Daten sind deutlich optimistischer als jene des Fiskalrats. Auch die Defizitprognosen für Österreich seitens der EU-Kommission (2,4 bzw. 2,2 Prozent), des Währungsfonds (2,6 bzw. 2,3 Prozent) sehen die Republik innerhalb der Maastricht-Grenzen.

Aus dem Finanzministerium heißt es, dass die Berechnungen des Fiskalrats „nicht nachvollziehbar“ seien. Man wolle nun „genau analysieren, warum der Fiskalrat als einziges Institut von einem höheren Defizit ausgeht“. Finanzminister Brunner wird Ende April eine detaillierte neue Fiskalprognose an die Europäische Kommission übermitteln.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) | Baut auf seine eigene Budget-Prognose: Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
| Baut auf seine eigene Budget-Prognose: Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) © APA / Hans Klaus Techt

Fiskalrat-Chef: Entscheidend ist die negative Tendenz

Auch der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, begründet die unterschiedlichen Einschätzungen mit dem jeweiligen Informationsstand der Institute, wobei sein Gremium über die neusten Zahlen verfüge. „Es ist auch nicht entscheidend, ob das Budgetdefizit heuer 3,4 oder nächstes Jahr 3,2 Prozent des BIP beträgt,“ so Badelt. „Das Entscheidende ist die ungute Tendenz, dass die fiskalische Haushaltsplanung nicht nachhaltig ist.“ Die Drei-Prozent-Grenze sei noch die letzte Zahl der Maastricht-Kriterien gewesen, an die man geglaubt habe. Bei der Gesamtschuldenquote seien die 60 Prozent seit langem völlig aus dem Blickfeld geraten. Die Konsequenz sei, dass die finanziellen Spielräume für Investitionen oder Krisenintervention immer kleiner werde. Gleichzeitig steige das Risiko, an den Finanzmärkten abgestraft zu werden und durch mögliche Abwertungen internationaler Ratingagenturen deutlich höhere Zinsen für die Staatsschulden zahlen zu müssen.

Wie kann es zum markanten Unterschied in den Prognosen kommen? „Unterschiedliche Ausgangslagen“ führt IHS-Ökonom Felix Schröter im Gespräch mit der Kleinen Zeitung als einen der Punkte an. So hätte die Statistik Austria erst nach den jüngsten Wifo/IHS-Prognosen den aktualisierten Budgetsaldo für 2023 veröffentlicht. Schon alleine, weil dieser schlechter als erwartet ausfiel, wird das IHS die Prognose für das Defizit bei der nächsten Schätzung deutlich absenken.

Fiskalrat Badelt in der ZiB2

Zugleich basiere die Fiskalrats-Prognose in Sachen Konjunktur auf der Erwartungshaltung des Wifo, die grundsätzlich negativer ausfällt als jene des IHS. Nicht zuletzt ortet Schröter „Spielräume“, was die Bewertung der unmittelbaren Auswirkungen politischer Maßnahmen angeht. Der IHS-Ökonom nennt dafür ein Beispiel: „Wir kamen, im Gegensatz zum Fiskalrat, zum Schluss, dass die Verlängerung der Strompreisbremse nicht zu substanziellen Mehrausgaben führen wird.“

Ob Schröter summa summarum auch jenen „dringenden Handlungsbedarf“ sieht, den der Fiskalrat von Österreichs Politik jetzt einfordert? Der Ökonom formuliert etwas defensiver: „Wir sind der Meinung, dass eine striktere Ausgabendisziplin eingehalten werden sollte. Vor allem mit Blick auf mögliche weitere Wahlzuckerl“.