Deutschland will trotz anhaltender Bedenken der umstrittenen Krisenverordnung für die geplante EU-Asylreform zustimmen. "Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten und auch darüber hinaus, werden wir heute unserer Verantwortung gerecht", sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) laut dpa am Donnerstag in Brüssel beim EU-Innenministertreffen. Deswegen werde man dem Kompromiss zustimmen. Damit ist der Weg für die EU-Asylreform frei.

Karner: "Klare Regelungen an den Außengrenzen"

"Wir müssen hart und intensiv an unserem Migrationspakt arbeiten und ihn mit Leben erfüllen, darum ringen wir heute", betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vor dem Rat. Er sei froh, dass in den letzten Stunden Bewegung in die Sache gekommen sei, sodass "wir einen Schritt weiterkommen". Es gehe um das Gesamtpaket. Bei der Krisenverordnung sei er skeptisch, "weil wir in Teilbereichen sehen, dass es zu noch mehr Anziehung kommen könnte". Österreich würde daher um eine "bessere Lösung ringen": "Wir müssen klare Regelungen haben an den Außengrenzen, damit wir Bilder wie in Lampedusa verhindern."

Faeser: "Verhandeln über einzelne Positionen"

"Wir sind noch am Verhandeln über einzelne Positionen", betonte Faeser Donnerstagfrüh. Sie sei aber überzeugt, dass am Ende ein gutes Ergebnis stehen werde. Für Deutschland sei wichtig, dass auch im Krisenfall sichergestellt sei, dass ein Staat den Krisenmechanismus nicht "leichtfertig" in Anspruch nehme. Die betroffenen Staaten sollten zuerst alle eigenen Maßnahmen voll ausgeschöpft haben. Sollten die Innenministerinnen und -minister am Donnerstag eine politische Einigung erzielen, könnten die EU-Botschafter bereits am Abend das Ergebnis festzurren.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich am Donnerstag "optimistisch" über eine Zustimmung der Mitgliedsländer. Auch der für Migration zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas betonte seinen Optimismus. "Wir kommen dem großen Abkommen näher, auf das wir seit Jahren hinarbeiten", so Schinas. Wenn sich die Minister heute auf die Krisenverordnung einigen könnten, könnte das Gesamtpaket noch vor den Europawahlen im Juni 2024 fertig beschlossen werden.

Ringen um Krisenverordnung

Nachdem die EU-Mitgliedstaaten es bisher nicht geschafft haben, sich auf eine gemeinsame Position rund um eine geplante Krisenverordnung zu einigen, hatte das EU-Parlament die Verhandlungen zu anderen Teilen des Migrationsdeals vorige Woche auf Eis gelegt. Die Krisenverordnung soll Ausnahmen für die Asylregeln für den Fall festlegen, dass sich ein Mitgliedstaat einer besonders hohen Ankunftszahl von Flüchtenden gegenübersieht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch zu einer zügigen Beilegung des Streits über die geplante Reform des Asylsystems aufgerufen: Dass es eine schelle politische Einigung brauche, zeige auch die fortgesetzte Instrumentalisierung von Migranten durch Länder wie Belarus. Es sei wichtig, gemeinsame Regeln zu haben.

Kooperationen mit Drittstaaten

Die EU-Innenminister hatten im Juni Pläne für eine weitreichende EU-Asylreform beschlossen. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um illegale Migration zu begrenzen. Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten, sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Auch engere Kooperationen mit Drittstaaten sind vorgesehen. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Asyl- und Migrationspakt umfasst insgesamt sieben Verordnungen und zwei Richtlinien.

Schutzanspruch für Ukrainer verlängert

Die Europäische Kommission hat auch vorgeschlagen, den vom russischen Angriffskrieg aus der Ukraine Vertriebenen länger Schutz in der EU gewähren: Sie will den vorübergehenden Schutzstatus bis zum 3. März 2025 verlängern. Die EU hatte im März 2022, kurz nach Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, die Richtlinie aktiviert. Diesen Notfallmechanismus kann Brüssel bei einem außergewöhnlichen Massenzustrom einsetzen. Vertriebene erhalten so rasch und unbürokratisch den Schutzstatus. Der Mechanismus galt ursprünglich für ein Jahr, wurde aber bereits bis 4. März 2024 verlängert. Der Rat muss der Verlängerung zustimmen, damit sie in Kraft treten kann.