Jubel auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv und in ganz Israel. „Sie sind frei!!!“, riefen die Menschen und fielen sich in die Arme, um dann zu skandieren: „Kulam – achschaw“ (Alle – jetzt). Am Sonntagnachmittag kamen drei israelische Zivilistinnen im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens aus der Gewalt der Hamas in Gaza frei: Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) kehrten nach 470 Tagen Geiselhaft nach Hause zurück.
Offenbar in akzeptabler Verfassung
Die jungen Frauen wurden Sonntagnachmittag von der Hamas in Gaza-Stadt an das Rote Kreuz übergeben. Videos aus der Enklave zeigten, dass die Wagen der Hilfsorganisation von Hunderten bewaffneten Hamas-Kämpfern und Tausenden Zivilisten umgeben waren. Man sah, dass die drei jungen Israelinnen eigenständig von einem Wagen der Hamas in ein Fahrzeug des Roten Kreuzes gingen.
Kommentar von Thomas Golser
Es hatte zuvor keinerlei Angaben zu dem Gesundheitszustand der Geiseln gegeben. Bekannt war nur, dass Romi Gonen und Emily Damari während der Entführung durch Schüsse von Terroristen verletzt worden waren. Gonen wurde in den Arm geschossen, Damari in die Hand. Wie nun bekannt wurde, hat Emily Damari während der Entführung durch die Hamas zwei Finger verloren. Bei ihrer Freilassung war zu sehen, dass die linke Hand der 28-Jährigen bandagiert war.
Etwa eine halbe Stunde später schlossen die Mütter der drei ihre Töchter im Kibbutz Reim, der nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt ist, in die Arme. Eigentlich hätten sie in einem Krankenhaus im Zentrum des Landes noch zuwarten sollen, doch Meirav Leshem-Gonen, Simona Steinbrecher und Mandy Damari insistierten, „wir haben sie geboren, wir wollen unsere Töchter sofort sehen“.
In Kfar Vradim, dem Heimatort von Romi Gonen im Norden des Landes, hatte sich die Familie versammelt und verfolgte die Geschehnisse live im Fernsehen. Sharona, eine Angehörige: „Wir sind überglücklich. Wir haben jeden Samstagabend auf dem Platz der Geiseln für die Freilassung gekämpft. Wir sind so unglaublich froh!“ Vorbei aber sei der Kampf noch nicht, „bis alle Geiseln frei sind“.
Auch ihre Schwester Yarden Gonen hat 15 Monate lang unermüdlich um ihre Schwester gekämpft. „Romi ist keine Kriegsgefangene“, hatte sie immer wieder auf der ganzen Welt betont. „Sie ist eine junge Frau, die auf ein Festival zum Tanzen ging“. Die damals 23-Jährige wurde von Terroristen vom Nova-Musikfestival entführt.
Der Sonntag war ein Tag maximaler Anspannung in Israel. Erst gegen zehn Uhr morgens hatte die Hamas die Namen der ersten Geiseln bekanntgegeben. Zur selben Zeit hatte die rechtsextreme Otzma-Yehudit-Partei des nationalen Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir wegen des Abkommens für einen Waffenstillstand und die Befreiung der Geiseln die Regierungskoalition verlassen. Die rechts-religiöse Koalition von Premierminister Benjamin Netanjanu hat dennoch weiter die Parlamentsmehrheit. Strittig war vor allem die Zahl der palästinensischen Gefangenen, die im Austausch für die Geiseln aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Nächster Gefangenen- und Geiselaustausch am Samstag
Durch die zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Waffenruhe sollen 1904 Palästinenser entlassen werden. Im Gegenzug muss die Terrororganisation während der sechswöchigen Feuerpause, die nun begann, 33 von insgesamt 97 israelischen Geiseln freilassen. Die meisten von ihnen sollen leben. Der nächste Gefangene- und Geiselaustausch ist, wie am Sonntag bekannt wurde, für nächsten Samstag, 25. Jänner, geplant.
Der Terror des 7. Oktober 2023
Angehörige hatten Rucksäcke mit Lieblingsdingen der Geiseln vorbereitet, die sie nach ihrer Freilassung erhalten haben. Nach ihrer Übergabe an die israelische Armee durch das Rote Kreuz wurden sie in das Sheba-Krankenhaus im Zentrum des Landes gebracht. Doron Steinbrecher und Emily Damari wurden während des Massakers der Hamas am 7. Oktober 2023 aus dem Kibbutz Kfar Aza im Süden Israels verschleppt. Von den 37 Bewohnern des Viertels der „jungen Generation“ wurden zwölf getötet, sieben entführt.
„Den ganzen Morgen des verfluchten Schabbats über hatten wir Kontakt“, erinnert sich ihre Schwester Amit Aschkenazi. „Doron hatte so große Angst.“ Schließlich schickte sie eine Sprachnachricht: „Sie sind da, sie haben mich.“ Eine Woche später erhielt die Familie die Nachricht, dass Doron Geisel im Gazastreifen ist. Es sollte 470 Tage dauern, bis sie nach Hause kam.