Der Untersuchungsausschuss zum Angriff auf das US-Kapitol im Jänner 2021 hat am Donnerstag Ex-Präsident Donald Trump vorgeladen. Es ist eine selten vorkommende Eskalation der Untersuchungen. Zuvor versuchte der Kongressausschuss, Trump mit neuen Beweismitteln stärker für die Attacke verantwortlich zu machen. Im Streit um die Auswertung beschlagnahmter Geheimdokumente wies unterdessen der Supreme Court einen Antrag Trumps ab.

"Wir sind verpflichtet, Antworten direkt von dem Mann einzufordern, der das alles in Gang gesetzt hat", begründete die republikanische Abgeordnete Liz Cheney den Vorstoß.

Wenn Trump der Vorladung für eine Aussage unter Eid nicht folgt, könnte das Repräsentantenhaus ihn wegen Missachtung des Kongresses beim Justizministerium anzeigen. Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon zum Beispiel wurde deswegen bereits verurteilt.

Zeit wird knapp

Allerdings wird die Zeit knapp. Am 8. November wird ein neues Repräsentantenhaus gewählt. Bis zum Jahresende - bevor im Jänner das neugewählte Abgeordnetenhaus seine Arbeit aufnimmt - muss der Ausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben. Und laut Umfragen und Analysen stehen die Chancen gut, dass die weitgehend zu Trump stehende Republikanische Partei bei der Wahl die Mehrheit erreichen wird. Dann dürften weitere Untersuchungen zu der Attacke ohnehin vom Tisch sein.

Trump kann zunächst auch seine Anwälte gegen die Vorladung vor Gericht schicken. Und selbst wenn Trump der Aufforderung folgen sollte, kann er die Aussage verweigern, zum Beispiel um sich nicht selbst zu belasten. Von diesem Recht hatten bei Befragungen durch den Ausschuss mehrere seiner Vertrauten Gebrauch gemacht.

Trump kritisiert Zeitpunkt

In einer ersten Reaktion äußerte sich Trump nicht dazu, wie er vorgehen wolle, sondern kritisierte lediglich den Zeitpunkt für die Vorladung. Warum habe ihn der Ausschuss nicht schon vor Monaten um Aussage gebeten, sondern bis zum Schluss damit gewartet, fragte er in einem Beitrag in seinem hauseigenen Online-Netzwerk Truth Social. Zugleich wiederholte er seine von vielen Gerichten widerlegten Behauptungen über "massive Fälschungen" bei der Präsidentenwahl - "der Grund dafür, was am 6. Januar passierte".

Die Attacke auf das Kapitol ereignete sich direkt nach einem Auftritt Trumps hinter dem Weißen Haus, bei dem der damalige US-Präsident die Menge seiner Anhänger abermals mit falschen Behauptungen aufgewiegelt hatte, dass ihm der Wahlsieg gegen Herausforderer Joe Biden gestohlen worden sei.

Hinweise schon Ende Dezember

Nun zeigten bei einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses präsentierte Dokumente, dass der mit Trumps Sicherheit betraute Secret Service bereits Ende Dezember auf Angriffspläne unter den Anhängern hingewiesen wurde. Aus dem Ausschuss übergebenen internen Nachrichten geht zudem hervor, dass der Secret Service bei seiner Überwachung auch feststellte, dass viele der anwesenden Trump-Anhänger bei dem Auftritt bewaffnet gewesen seien. Dennoch hätten das Weiße Haus und Trump nicht versucht, den Auftritt oder den Marsch auf das Kapitol zu stoppen.

"Er schickte sie zum Kapitol in dem Wissen, dass sie wütend sind, in dem Wissen, dass sie bewaffnet sind", betonte Cheney. Man müsse sicherstellen, dass nicht nur die "Fußsoldaten" bestraft würden, die das Parlamentsgebäude in Washington gestürmt hätten. "Mit jedem Versuch, das Verhalten des Ex-Präsidenten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, untergraben wir die Grundfeste unserer Republik."

Der Sturm am 6. Jänner

Trumps Anhänger hatten den Parlamentssitz am 6. Jänner 2021 gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

In den vergangenen Monaten hatte der Ausschuss bereits zum Teil erstaunliche Details zutage befördert. Zahlreiche Zeuginnen und Zeugen belasteten Trump dabei schwer. Nun waren unter anderem erstmals Aufnahmen zu sehen, in denen die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, während des Angriffs per Telefon versucht, Schutz durch die Nationalgarde oder Einheiten des Verteidigungsministeriums zu organisieren.

Trump habe unterdessen - auch entgegen Aufforderungen von Vertrauten - stundenlang nichts unternommen, um seine Anhänger zu stoppen, betonten Mitglieder des Ausschusses. Dabei sei er über die Ereignisse informiert gewesen.

Streit um Geheimunterlagen

Im Streit über die Auswertung beschlagnahmter Geheimunterlagen erlitt Trump eine juristische Niederlage. Das Oberste Gericht des Landes wies am Donnerstag einen Eilantrag des Ex-Präsidenten ab. Trumps Anwälte hatten vergangene Woche beim Supreme Court beantragt, dass ein Sonderprüfer Zugang zu den als geheim eingestuften Dokumenten haben müsse. Das Gericht gab nun keine Erklärung dazu ab, warum es den Antrag abgelehnt hat.

Anfang August hatte die Bundespolizei FBI Trumps Villa im US-Bundesstaat Florida durchsucht. Das FBI beschlagnahmte diverse Verschlusssachen, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Unter den - dem FBI zufolge - Tausenden Unterlagen waren rund 100 als geheim gekennzeichnete Dokumente. Dadurch, dass er die Unterlagen nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in seinem Privathaus aufbewahrte, könnte Trump sich strafbar gemacht haben. Ein juristisches Gezerre durch die Instanzen war die Folge.

Trumps Team konnte schließlich mit der Einsetzung eines neutralen Prüfers einen Erfolg erziehen. Ein Berufungsgericht verwehrte dem Sonderprüfer allerdings den Zugang zu den als geheim markierten Unterlagen. Trumps Anwälte argumentierten vor dem Supreme Court, dass der 76-Jährige in seiner Zeit als Präsident uneingeschränkte Befugnis gehabt habe, die Geheimeinstufung bei Unterlagen aufzuheben. Daher lasse sich nicht allein durch Markierungen bestimmen, ob ein Dokument noch als Verschlusssache gelte oder Trump es freigegeben habe. Deshalb müsse der Sonderermittler Zugriff bekommen, um in Zweifelsfällen eingreifen zu können.