In Rumänien ist die Regierung unter Premierminister Florin Citu (Liberale Partei/PNL) am Dienstag per Misstrauensvotum gestürzt worden. 281 Parlamentarier der oppositionellen Postkommunisten (PSD), der Reformpartei USR sowie rechtsnationalistischen "Allianz für die Einheit der Rumänen" (AUR) sprachen der Regierung das Misstrauen aus - weit mehr als die nötigen 234. Gegenstimmen gab es keine, da die Regierungspartei und ihre Verbündeten die Abstimmung boykottiert hatten

Citus Kabinett hatte seit rund einem Monat in der Minderheit regiert, da der Juniorpartner USR den Koalitionsvertrag wegen des autoritären Führungsstils des Regierungschefs aufkündigte. Abgestimmt wurde am Dienstag über einen Misstrauensantrag der oppositionellen PSD, nachdem die regierenden Liberalen einen ersten, von der USR eingebrachten, durch einige verfassungsrechtlich fragwürdigen Schachzüge auf die lange Bank geschoben hatten. In ihrem Misstrauensantrag warfen die Postkommunisten der Regierung unter Citu "Versagen auf ganzer Linie" vor - sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf sozialer Ebene sowie vor allem bei der Eindämmung der in Rumänien äußerst heftig angerollten vierten Corona-Welle.

Antwort auf Kritiker

Regierungschef Citu wetterte indes gegen das "Bündnis der Unverantwortlichen" und einen "unmoralischen, bipolaren" Ex-Koalitionspartner. Alles, was ab heute passiere, habe "von der USR, PSD und AUR verantwortet" zu werden, diese "bizarre Allianz" bestehend aus Impfgegnern und -befürwortern, Pro- und Antieuropäern habe klarzustellen, was sie wolle. Der vor kaum einer Woche zum neuen Liberalen-Chef gewählte Premierminister ließ die Reformpartei USR zudem wissen, dass es keine Neuauflage der bürgerlichen Koalition geben werde, wenn sie mit ihren Stimmen zum Sturz seiner Regierung beitrage.

Als Nächstes ist nun Staatspräsident Klaus Johannis am Zug, der den Regierungsauftrag nach Sondierungen mit den Fraktionen erteilen muss. Unklar bleibt allerdings, ob unter den gegebenen Umständen eine Mehrheit überhaupt noch möglich ist: Die Postkommunisten, die im Parlament von Bukarest die größte Fraktion stellen, kündigten bereits an, dem Staatsoberhaupt keinen Anwärter auf das Amt des Regierungschefs vorschlagen zu wollen, sondern vorgezogene Neuwahlen anzustreben. Die Duldung eines liberalen Minderheitskabinetts schloss die PSD zudem kategorisch aus. Ihrerseits stellte die Reformpartei USR klar, sich an keiner Koalitionsregierung mehr beteiligen zu wollen, der Florin Citu vorsteht, während die Liberalen ihren neuen Parteivorsitzenden um jeden Preis wieder in das Amt des Regierungschefs hieven wollen. Die rechtsnationalistische AUR spricht sich indes für eine Allparteienregierung aus.

Rumänische Politbeobachter gehen davon aus, dass Präsident Johannis auf eine aus Liberalen und dem Ungarnverband (UDMR) bestehende Minderheitsregierung setzen wird, die nach Verhandlungen und einer Reihe von Eingeständnissen gegenüber den Postkommunisten von letzteren sodann geduldet würde. Der Reformeifer des ehemaligen Koalitionspartners USR, insbesondere im Bereich der Justiz, gehe dem Staatsoberhaupt entschieden zu weit, so der Tenor, während die in Rumänien nur äußerst schwer anzustoßenden Neuwahlen für die ihm nahestehenden Liberalen verheerend wären.

In den jüngsten Umfragen liegt die PNL, die als Auslöser der schweren Regierungskrise gilt, bei kaum 18 Prozent, während die Postkommunisten auf 34 Prozent kommen. Die Politikbeobachter warnen allerdings auch, dass eine von der PSD geduldete liberale Minderheitsregierung de facto den Aufschub aller dringend notwendigen Reformen, einschließlich jener aus Rumäniens Aufbau- und Resilienzplan, bedeutet - wohl bis nach dem Superwahljahr 2024.