Wer nach Albanien kommt, hat den Eindruck, dass es in dem Land kein Coronaproblem gibt. Für die Einreise ist kein Test erforderlich und im Land selbst sind alle Restaurants und Geschäfte geöffnet. Zwar gilt eine Sperrstunde ab 22 Uhr, doch bis dahin werden Masken nur halbherzig getragen, abgesehen von den Spitälern, in denen die Disziplin vorhanden ist. Albanien erlebte seine schwierigste Coronaphase im Herbst und im Winter, doch die Spitäler hielten stand, obwohl das öffentliche Gesundheitswesen in schlechtem Zustand ist und Patienten vielfach ihre Medikamente selbst mitbringen müssen.

Mit Vorsicht zu genießen sind die offiziellen Coronazahlen. Sie weisen für Albanien bei etwa drei Millionen Einwohnern nur 2400 Todesfälle und 130.000 Infizierte aus. Die Zahlen sind mit Skepsis zu betrachten, da im Land der Skipetaren viele Erkrankte zu Hause behandelt wurden. Eine Untersuchung für die Hauptstadt Tirana hat zudem gezeigt, dass bis zu 50 Prozent der Bewohner Antikörper aufweisen. Durch ein massives Impfprogramm soll Herdenimmunität erreicht werden. 700.000 Dosen kamen bisher ins Land, 70 Prozent davon entfallen auf das chinesische Serum Sinovac. 145.000 Dosen Pfizer wird Albanien bis Ende August über die EU erhalten.

Erdogan half

Ermöglicht hat die Beschaffung des Impfstoffs vor allem die enge persönliche Beziehung zwischen dem sozialistischen Ministerpräsidenten Edi Rama und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der bei den Lieferungen des chinesischen Impfstoffs massiv behilflich war. Rama, der für eine dritte Amtszeit antritt, bewirbt sich als erfolgreicher Kämpfer gegen die Corona-Pandemie und Modernisierer Albaniens. So wurden jüngst ein von der Türkei finanziertes modernes Spital und der neue Flughafen Kukës eröffnet. In den weitgehend von Rama kontrollierten Medien finden diese Botschaften ihren kritiklosen Niederschlag.

Die Modernisierung hat ihre großen Schattenseiten. Unter Ramas achtjähriger Regierungszeit und unter seinem Parteigenossen als Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj, hat sich das Stadtbild von Tirana massiv verändert; die alte Struktur im Zentrum wurde durch Hochhäuser und den Neubau des Stadions zerstört. Gebaut wird so, als gäbe es keine durch Corona verursachte schwierige Wirtschaftslage. Wie sehr feuerpolizeiliche Vorschriften befolgt werden, steht außerdem auf einem anderen Blatt. Andererseits haben so manche Neubauten für die Opfer des schweren Erdbebens vom November 2019, das 30.000 Menschen obdachlos machte, noch nicht einmal begonnen.

Tourismus

Auch eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus, auf den ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung entfällt, wird bestenfalls mit Unterstützung aus Österreich, etwa durch die ADA, die Austrian Development Agency oder durch den Verein „Albania-Austria-Partnerschaft“, vorangetrieben. Dem Land fehlt vielfach eine durchdachte Entwicklungsstrategie, die auch umgesetzt wird. Daher ist die Auswanderung vor allem junger Albaner ebenfalls ein Problem.


Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Albanien durch den einzigartigen Prozess der Durchleuchtung aller Richter und Staatsanwälte durch den von Kommissionen geführten sogenannten „Vetting-Prozess“ zweifellos Fortschritte gemacht hat. Von den 800 Richtern und Staatsanwälten wurde bisher knapp die Hälfte überprüft, nur 40 Prozent bestanden die Kontrolle, die neben der Eignung auch alle Vermögensverhältnisse überprüfte. Der Kahlschlag führte aber auch dazu, dass das Verfassungsgericht drei Jahre entscheidungsunfähig war.

Wiederwahl

Nach acht Jahren Edi Rama sind viele Albaner seiner Person und seines selbstherrlichen Führungsstils überdrüssig. Doch ob das zum Machtwechsel reicht, ist fraglich. Denn der Kandidat der konservativen Opposition, Lulzim Basha, der mit der LSI, der Partei von Staatspräsident Ilir Meta, auf eine Mehrheit hofft, ist keine strahlende Alternative. Er versprach allen das Blaue vom Himmel, niedrigere Steuern und höhere Löhne. Überschattet wurde der aggressive Wahlkampf durch zwei Schießereien, die ein Todesopfer forderten. Neu ist, dass die Identitätsfeststellung der Stimmbürger in den Wahllokalen elektronisch erfolgt, um doppelte Stimmabgaben zu verhindern. In Tirana gibt es zudem ein Pilotprojekt der elektronischen Stimmabgabe. Ausgezählt wird in Zählzentren und nicht im Wahllokal. Bis ein seriöses Ergebnis vorliegt, kann es einige Tage dauern.