Es sind - neben der Bekämpfung der Pandemie - die beherrschenden Fragen in Deutschlands Innenpolitik: Auf wen setzen die Parteien für die Wahl im September? Wer tritt in die sehr großen Fußstapfen der Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel?

Unterschiede im Stil werden schon anhand der Kandidatur-Mühlen offensichtlich: Die SPD stellte Olaf Scholz an die Wahlkampf-Startlinie. So weit, so gut. Die Union - das aus der lateinischen Sprache stammende Wort "Union" steht übrigens für "Einheit" - pendelte bis zuletzt in ermüdender Manier zwischen Armin Laschet und Markus Söder als Kanzlerkandidaten. Peinsamer Schaukampf mittelalterlicher Männer als Symbol für überkommene Systeme - wer will das in Deutschland noch mitansehen?

Einige Talente vereint

Und die Grünen? Sie entschieden sich nun für Annalena Baerbock. Als noch junge Frau mit bemerkenswertem Zug nach oben hat sie ein Alleinstellungsmerkmal im Kanzlerkandidaturen-Trio. Man sollte indes nicht den Fehler machen, gerade bei den Grünen anzunehmen, dass es unbedingt eine Frau werden musste. Baerbock hat laut Beobachtern - unabhängig vom Geschlecht - das Zeug zu Großem. Sie wird als teamfähig, überaus gründlich und nicht zuletzt als in den wichtigen Themen des 21. Jahrhunderts bewandert beschrieben. Bei einem Besuch bei Anne Will im Februar sparte Baerbock nicht mit Kritik am Corona-Management und am mangelnden Zusammenhalt in Deutschland: "Da kämpft der Wirtschaftsminister gegen den Finanzminister, das eine Bundesland gegen das andere."

Dass die 40-jährige Völkerrechtlerin keinerlei Regierungserfahrung - weder auf Länderebene noch im Bund - mitbringt, wird ihr vor allem parteiintern nicht aufgerechnet. Gerade ihr recht kometenhafter Aufstieg bei den Grünen belege ihre Durchsetzungsfähigkeit, sagen Unterstützer. Jürgen Trittin, der einstige Parteivorsitzende, hielt dazu trocken fest: "Ich habe in meiner politischen Geschichte eigene Erfahrungen gemacht, mit einer Regierungserfahrung, um dann festzustellen, dass man im Amt des Bundesministers gehörig dazulernen muss."

Union ohne Einheit

Die Union läuft indes längst Gefahr sich selbst zu zerlegen: Es gibt berechtigte Zweifel daran, dass die internen Grabenkämpfe in der Union verstummen, sobald man sich auf einen Kandidaten verständigt hat: Baerbock und ihrem Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck nimmt man hingegen durchaus ab, dass sie auch künftig partnerschaftlich und ergebnisorientiert zusammenarbeiten: Ein nicht unwesentlicher Startvorteil im Rennen um das Kanzleramt und etwas, woran Deutschland - womöglich gerade in Zeiten wie diesen - glauben will.

Man vergesse nicht: In Umfragen liegen die Grünen bei 20 bis 23 Prozent und damit nur wenige Prozentpunkte hinter der Union und deutlich vor der SPD. Baerbocks Partei ist in Deutschland ganz vorne mit dabei. Es wird nun an ihr liegen, dieses bemerkenswerte Potenzial auch auszuschöpfen.