Chinas Präsident höchstpersönlich übernahm die Verteidigung seines Landes – immerhin hatte US-Präsident Donald Trump Peking frontal angegriffen. Recht früh während der ersten Online-Weltgesundheitsversammlung schalteten die Organisatoren aus Genf in das Reiche der Mitte. Dort saß Staatschef Xi Jinping hinter einem schweren Schreibtisch. Der mächtigste Mann des autoritär regierten Staates gab eine Erklärung ab – seine Sicht des verheerenden Corona-Ausbruchs. China habe „mit Liebe und Mitgefühl“ auf das gefährliche Virus reagiert, sagte Xi. Die Behörden, so versicherte Xi mit unbewegtem Gesichtsausdruck, hätten mit „Offenheit“ und „Transparenz“ die Welt informiert.

Und er lobte auch noch die Weltgesundheitsorganisation und ihren Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus für den „großen Beitrag“ im Kampf gegen das Virus. Auf der 73. und wohl wichtigsten Weltgesundheitsversammlung seit Jahrzehnten überlagerte der Streit der geopolitischen Rivalen die Agenda. US-Gesundheitsminister Alex Azar wiederholte die scharfe Kritik seiner Regierung. Für Trump ist China der Hauptschuldige in der Corona-Tragödie. Durch Vertuschung hätten Chinas Politiker und Behörden die rasante Eskalation der Krise erst ermöglicht. Und die WHO habe dies als PR-Agentur gedeckt, behauptet Trump.

Verbissener Kampf

Im April hatte Trump die US-Zahlungen an die WHO ausgesetzt und die Organisation mitten in der Pandemie in eine Finanzkrise gestürzt. Immer stärker wird die WHO in den verbissen ausgefochtenen Konflikt der beiden Supermächte hineingezogen. Tatsächlich hatte die WHO schon am 30. Jänner den allgemeinen Gesundheitsnotstand ausgerufen – Trump hingegen verkündete noch den ganzen Februar über, die USA seien vor dem Virus geschützt. Mittlerweile verzeichnen die USA schon mehr Infektionen und Corona-Tote als jedes andere Land der Welt, und Trump muss sich heftige Kritik an seinem Krisenmanagement anhören.

Ablenkungsmanöver?

Beobachter sehen den Frontalangriff auf China und die WHO daher auch als innenpolitisches Ablenkungsmanöver. Immerhin stehen im November Wahlen an.

Berichte über die Bekämpfung des Virus in China werfen freilich Fragen auf. Ärzte, die im Dezember in Wuhan erste Verdachtsmomente auf das Virus meldeten, wurden von Chinas Führung gemaßregelt. Selbst John MacKenzie, Berater des WHO-Notfallkomitees zur Pandemie, räumte ein, dass die Organisation von den Chinesen „ein wenig getäuscht“ worden sei.

Der Streit über das WHO-Nichtmitglied Taiwan wurde immerhin auf der Konferenz elegant aus dem Weg geräumt. Wie Taiwan sich in die WHO einbringen kann, darüber wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. China will die „abtrünnige Provinz“ Taiwan ganz aus der WHO draußen halten, die USA machen sich für die Insel-Republik stark.

Merkel stärkt WHO den Rücken

Viele Mitgliedsländer sagten der WHO weitere Unterstützung zu. „Die Weltgesundheitsorganisation ist die legitimierte globale Institution, bei der die Fäden zusammenlaufen“, betonte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Es müsse aber geprüft werden, wie WHO-Abläufe verbessert werden könnten.

Unterdessen versucht der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, die Aufmerksamkeit auf die Pandemie selbst zu richten: Europa müsse sich auf eine zweite tödliche Welle von Coronavirus-Infektionen einstellen. Es sei an der „Zeit für die Vorbereitung, nicht für Feierlichkeiten“, sagte Kluge.