Trotz der bisher gescheiterten Versuche einer Regierungsbildung soll in Israel eine dritte Neuwahl binnen eines Jahres noch abgewendet werden. Präsident Reuven Rivlin beauftragte am Donnerstag erstmals in der Geschichte des Landes das Parlament damit, einen mehrheitsfähigen Ministerpräsidenten zu suchen.

Die 120 Abgeordneten der Knesset haben nun bis zum 11. Dezember Zeit, einen Kandidaten zu finden, der von mindestens 61 Parlamentariern unterstützt wird.

Kein klarer Sieger

Aus der jüngsten Parlamentswahl im September war erneut kein klarer Sieger hervorgegangen. Weder die rechtsgerichtete Likud-Partei von Regierungschef Benjamin Netanyahu noch die Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß seines Rivalen Benny Gantz hatte sich eine Mehrheit gesichert. Nachdem zunächst Netanyahu mit der Regierungsbildung gescheitert war, musste am Mittwoch auch Gantz eine Niederlage einräumen.

Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass das Parlament mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. In den nächsten Wochen stehen nun intensive Hinterzimmer-Verhandlungen an. Dabei gelten weiterhin Netanyahu oder Gantz als aussichtsreichste Kandidaten für den Posten des Regierungschefs.

Beide hatten in den vergangenen Wochen gemeinsam mit dem früheren Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und seiner laizistisch-nationalistischen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) über die Bildung einer Einheitsregierung verhandelt. Die Gespräche waren aber am späten Dienstagabend gescheitert, weil sowohl Netanyahu als auch Gantz darauf bestanden, als jeweils erster den rotierenden Posten des Ministerpräsidenten zu übernehmen.

Gesprächsbereitschaft

Die beiden Rivalen signalisierten aber weiterhin Gesprächsbereitschaft. "Wir können die Differenzen überwinden", mahnte Netanyahu am Donnerstag. Er forderte Gantz zu Vier-Augen-Gesprächen "ohne Vorbedingungen" auf. Gantz hatte bereits zuvor erklärt, er stehe auch in den nächsten drei Wochen für "direkte, substanzielle und schnelle Verhandlungen" über eine Regierung bereit.

Israelische Medien kamen jedoch zu dem Schluss, dass die Gespräche zwischen Gantz und Netanyahu in einer Sackgasse steckten. Die Parteien seien bereits dabei, ihre Wahlkampagnen für einen erneuten Urnengang vorzubereiten, berichteten sie.

Für den durch Korruptionsvorwürfe belasteten Netanyahu sind die kommenden Wochen noch auf andere Weise entscheidend: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit will demnächst entscheiden, ob Anklage gegen den geschäftsführenden Regierungschef erhoben wird. Bei den Vorwürfen geht es um Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. Netanyahu weist alle Vorwürfe zurück.

Anklageerhebung

Israelische Medien berichteten am Donnerstag, Mandelblit könnte seine Entscheidung bereits in den nächsten Tagen bekanntgeben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es jedoch nicht. "Der politische Zeitplan wird wahrscheinlich von juristischen Entwicklungen bestimmt", berichtete die Zeitung "Jediot Ahronot".

Eine Anklageerhebung könnte Netanyahus politischer Karriere schaden. Er ist aber nicht zum Rücktritt gezwungen. Dieser wäre erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung unausweichlich.