Der britische Premierminister Boris Johnson ist wegen seiner Rede zur Eröffnungssitzung im Londoner Parlament heftig in die Kritik geraten. Quer durch alle Parteien verurteilten Abgeordnete und viele britische Zeitungen seine Wortwahl und eine Bemerkung über die ermordete britische Politikerin Jo Cox, die sich für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union eingesetzt hatte.

Die Abgeordneten sollten doch dem Brexit zustimmen, wenn sie Cox ehren wollten, hatte Johnson am Mittwochabend im Unterhaus gesagt. Die Labour-Politikerin war kurz vor dem Brexit-Referendum 2016 von einem Rechtsradikalen getötet worden. Die Zeitung "Daily Mirror" nannte den Premier am Donnerstag einen "Mann ohne Scham". Kaum ein Premierminister zuvor habe eine so "schändliche Rede" gehalten.

"Abstoßen" und "respektlos"

Johnson hatte in seiner Rede ein Gesetz zur Verhinderung eines ungeregelten Brexits, das gegen seinen Willen verabschiedet worden war, mehrfach im Unterhaus als "Kapitulationsgesetz" (Surrender Act) bezeichnet. Abgeordnete seiner Konservativen Partei und der Opposition kritisierten das noch während der Sitzung als "abstoßend" und "respektlos". Damit würden nur Aggressionen im Brexit-Streit geschürt, hieß es. Schon jetzt erhielten viele Abgeordnete Morddrohungen. Johnson blieb aber bei seiner Wortwahl.

Auch der Ehemann von Jo Cox verurteilte Johnsons Bemerkungen. Ihm werde schlecht, wenn der Name seiner getöteten Frau in einem solchen Zusammenhang benutzt werde, schrieb Brendan Cox im Kurznachrichtendienst Twitter. Labour-Chef Jeremy Cobyn sagte, Johnsons Sprache sei kaum von der Rechtsextremer zu unterscheiden.

Jo Swinson von den Liberaldemokraten nannte die Bemerkungen des Premiers eine "Schande". Die Parteichefin hatte erklärt, sogar eines ihrer beiden kleinen Kinder werde bedroht. Kulturministerin Nicky Morgan twitterte, dass die Wirkung von Worten in der Öffentlichkeit wohl bedacht werden müsse. Auch sie habe Drohungen erhalten.