Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat Gespräche mit den USA über die brachliegenden Nord-Stream-Gasleitungen durch die Ostsee bestätigt. Eine „normale Energieversorgung Europas“ - wie er es nannte - liege nicht nur im Interesse der USA und Russlands, sagte der Minister dem staatlichen russischen Fernsehen. Es werde interessant sein zu sehen, „ob die Amerikaner ihren Einfluss auf Europa nutzen und es zwingen, russisches Gas nicht weiter abzulehnen“, sagte Lawrow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Details zu den angeblichen Gesprächen nannte er nicht.
Medienberichte über US-Interesse an Pipeline
Hintergrund sind Medienberichte, wonach eine Inbetriebnahme der neueren Leitung Nord Stream 2 Teil einer amerikanisch-russischen Vereinbarung zur Beilegung des Ukraine-Kriegs werden könnte - womöglich unter Einbeziehung eines US-Investors. Nord Stream 2 sollte Gas des ehemals wichtigsten Lieferanten Russland über die Ostsee nach Deutschland bringen. Dazu kam es aber nie. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 stoppte die deutsche Ampel-Koalition das Projekt.
Lawrow kritisiert deutsche Politiker
Lawrow kritisierte, dass deutsche Politiker aus politischen Gründen russisches Gas ablehnten und dafür höhere Preise für Industrie und Verbraucher in Kauf nähmen. Namentlich nannte er den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Sie sagen, dass sie Nord Stream um keinen Preis wieder in Betrieb nehmen. Das sind entweder kranke Leute oder Selbstmörder.“
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Trump: Russen verzögern Verhandlungen vielleicht
US-Präsident Donald Trump schließt währenddessen nicht aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Gespräche über eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg gezielt hinauszögert. Noch wisse er es zwar nicht genau, sagte Trump im Sender Newsmax. Er selbst habe das aber auch manchmal gemacht, wenn er sich bei einem Vertrag unsicher war - um nicht gleich unterschreiben zu müssen und „sozusagen im Spiel zu bleiben“. Er glaube aber, dass sowohl Moskau als auch Kiew den Krieg beenden wollten.
Die von Putin angeordnete Aussetzung der Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur wird seinem Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow zufolge umgesetzt. Der Befehl sei weiterhin in Kraft und werde von den russischen Streitkräften befolgt, sagte Peskow am Mittwoch in Moskau. Zugleich beschuldigte das russische Verteidigungsministerium die Ukraine, einen Angriff auf die zivile russische Energieinfrastruktur in drei Gebieten versucht zu haben.
Energieanlagen und Schwarzes Meer
Am Dienstag hatte das Präsidialamt in Moskau erklärt, dass Ölraffinerien, Öl- und Gaspipelines sowie Atomkraftwerke zu den Zielen gehören, für die Russland und die Ukraine eine Aussetzung ihrer Angriffe vereinbart haben. Peskow zufolge gilt dies für 30 Tage und rückwirkend seit dem 18. März, als Putin sich in einem Telefonat mit Trump darauf geeinigt hatte. Laut Peskow kann ferner eine Vereinbarung mit der Ukraine und den USA zur maritimen Sicherheit im Schwarzen Meer grundsätzlich aktiviert werden. Es müssten aber zuvor eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein, betonte der Kreml-Sprecher. Russland setze die Kontakte mit den USA fort und sei zufrieden mit den aktuellen Fortschritten im Dialog.
Gespräche Moskau-Washington gehen weit über Ukraine hinaus
Dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zufolge geht es bei den Gesprächen zwischen den USA und Russland auch um andere Dinge als den Krieg. Diskutiert werde, wie Hindernisse für andere gemeinsame Projekte aus dem Weg geräumt werden könnten, zitierte ihn die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS. Dazu gehörten die Bereiche Energie, Weltraum und die Arktis. Seine Regierung gehe nach dem Prinzip „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ vor, sagte Lawrow. Eine Stellungnahme der USA lag dazu zunächst keine vor.
Kampfhandlungen gehen weiter
Unterdessen richtete ein Massenangriff russischer Drohnen in der zentralukrainischen Stadt Krywyj Rih „große Zerstörung“ an, wie der Leiter der Militärverwaltung der Stadt berichtete. „Alle sind am Leben, Gott sei Dank. Ein wahres Wunder. Große Zerstörung“, schrieb Oleksandr Wilkul auf Telegram. Es gebe Brände und Gebäudeschäden, aber keine Toten und Verletzten.
Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj belegen die unablässigen russischen Drohnenangriffe auf die Infrastruktur, dass Moskau nicht an einem Frieden interessiert ist. „Derartige Großangriffe nach Verhandlungen über eine Waffenruhe sind ein klares Signal an die ganze Welt, dass Moskau keinen echten Frieden anstreben wird“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X.
Schweden kündigt massive Aufrüstung an
Das neue NATO-Mitglied Schweden will seine Verteidigungsausgaben in den kommenden zehn Jahren drastisch erhöhen. Bis 2035 werde man ungefähr 300 Milliarden Kronen zusätzlich in die Verteidigung stecken, kündigte Regierungschef Ulf Kristersson an. Das habe die Regierung gemeinsam mit ihrer Unterstützerpartei im Parlament, den rechtspopulistischen Schwedendemokraten, vereinbart. Umgerechnet entspricht diese Summe knapp 28 Milliarden Euro.
Es handle sich um den Plan für die größte militärische Aufrüstung seit den Tagen des Kalten Krieges, sagte Kristersson. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine befinde man sich in einer völlig neuen sicherheitspolitischen Lage, zudem gebe es viel Unsicherheit über die transatlantischen Beziehungen, sagte er mit Blick auf die Politik von US-Präsident Donald Trump. Diese Unsicherheiten würden noch lange bestehen bleiben.
NATO-Generalsekretär Rutte warnt Putin vor Angriff auf Polen
NATO-Generalsekretär Mark Rutte hat indes den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Besuch in Warschau vor einem Angriff auf Polen gewarnt. Wer meint, er könne mit einem Angriff auf Polen oder ein anderes NATO-Land davonkommen, täusche sich und werde „die volle Härte dieser entschlossenen Allianz zu spüren bekommen“, sagte Rutte am Mittwoch bei einem gemeinsamen Auftritt mit Polens Regierungschef Donald Tusk.
„Unsere Reaktion wird verheerend sein“, fügte der NATO-Chef hinzu. Dies müsse Putin und „jedem anderen, der uns angreifen will, klar sein“. „Russland ist und bleibt die größte und schlimmste Bedrohung für unsere Allianz“, sagte Rutte. Moskau sei dabei, seine Wirtschaft auf eine „Kriegswirtschaft“ umzustellen, was einen enormen Einfluss auf die Fähigkeiten der russischen Armee haben werde.
Rutte begrüßte in diesem Zusammenhang die angestrebte Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Europa und in Kanada. Er stimme jedoch mit US-Präsident Donald Trump überein, dass die NATO-Länder noch mehr in ihre Sicherheit investieren müssten. Die Partnerschaft mit den USA bleibe „der Eckpfeiler unserer Allianz und das wird sich nicht ändern“, sagte der Niederländer weiter.