Groß ist die Freude über die wohl kurz bevorstehende Freilassung der Geiseln aus Gaza, doch groß ist auch die Sorge um deren Gesundheitszustand. Mehrere Krankenhäuser sind darauf vorbereitet, die seit 460 Tagen in Geiselhaft befindlichen Menschen zu empfangen. Viele wurden wahrscheinlich ohne Sonnenlicht in katastrophalen Bedingungen in den Tunneln der Hamas gehalten, einige sind chronisch krank oder wurden während des Massakers am 7. Oktober 2023 verletzt.
Chronisch krank, aber Medikamente kamen wohl nicht an
Trotz guter Vorbereitung sind die Mediziner mit Unsicherheit über den Zustand der Menschen konfrontiert. Es ist unbekannt, wie und ob die kranken und verletzten Menschen in der Gefangenschaft behandelt wurden. Das Rote Kreuz hat sie nie besucht, nach Gaza gelieferte Medikamente erreichten sie wahrscheinlich nie.
Zu den Gekidnappten gehören junge Menschen mit chronischen Krankheiten, wie Omer Shem Tov, der unter Asthma leidet, oder Omer Wenkert, der die Autoimmunkrankheit Colitis Ulcerosa hat. Darauf haben die Eltern der jungen Männer immer wieder hingewiesen. Die beiden 22-Jährigen stehen auf der Liste der 33 Geiseln, die während der ersten Phase befreit werden sollen.
Auch dabei sind ältere Menschen wie Shlomo Mansour und Gad Moshe Moses, beide über 80 Jahre alt, und Personen, die verletzt wurden. So ist beispielsweise bekannt, dass die 28-jährige Emily Damari angeschossen wurde, als sie aus ihrem Heimatkibbutz Kfar Aza gekidnappt wurde.
Sorge um Kfir und Ariel
Währenddessen bewegt das Schicksal der einzigen beiden Kinder, die noch immer Geiseln sind, die gesamte Nation. Es ist nicht bekannt, ob die kleinen Buben Ariel und Kfir Bibas und ihre Mutter Shiri noch am Leben sind. Angehörige bestätigten mehrfach, dass sie „kein Lebenszeichen von ihnen erhalten haben“. Die Hamas hatte zwar kurz nach Ausbruch des Krieges erklärt, dass alle drei bei einem Angriff der israelischen Armee getötet wurden, bestätigt wurde es nie. Ariel war fünf Jahre alt, Kfir erst neun Monate, als sie verschleppt wurden. Dass ihre Namen auf der Hamas-Liste der für die Freilassung vorgesehenen Geiseln stehen, lässt hoffen, dass sie noch leben. In der ersten Phase des Waffenstillstandsabkommens zwischen Hamas und Israel sollen 33 Geiseln freigelassen werden.
Die Leiterin der Abteilung für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Sharon Alroi-Preis, erklärt, dass man aus der vorherigen Runde der Befreiungen gelernt habe, „doch wir müssen verstehen, dass die Bedingungen dieses Mal völlig anders sind. Die Menschen kommen nach mehr als einem Jahr Gefangenschaft zurück. Das ist wirklich eine andere Welt“.
Unterernährung
Auch die Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten am Wolfson Medical Center, Jasmin Maor, gibt zu bedenken, dass die Situation dieser Geiseln weitaus ernster sein könnte. Auch sie behandelte die Rückkehrer im November 2023. „Es gibt ein sehr breites Spektrum, von einem Säugling bis zu älteren Menschen sowie jungen Kranken. Einige hatten bereits gesundheitliche Probleme wie Diabetes oder Autoimmunerkrankungen, als sie verschleppt wurden“, so Maor. „Die Frage ist, ob sie behandelt wurden und wenn ja, wie.“ „Wir wissen von Menschen, die zurückkehrten, und von Leichen, die im Gazastreifen geborgen wurden, dass es sehr viel Mangel- und Unterernährung gab.“
Zudem müsse man die Angehörigen der verschleppten Menschen berücksichtigen, macht sie deutlich. „Es ist auch für die Familien eine große Herausforderung. Sie sind erschüttert, haben die Hölle durchgemacht und zu Recht das Vertrauen in das öffentliche System verloren. Auch sie brauchen unsere Hilfe.“