Der russische Außenminister Sergej Lawrow verlässt das G20-Treffen der führenden und aufstrebenden Wirtschaftsmächte auf Bali vorzeitig. "Lawrow führt noch bilaterale Gespräche, danach wendet er sich an die Presse und reist ab", teilte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag auf Anfrage mit. Er nimmt demnach nicht am offiziellen Essen und an der Nachmittagssitzung teil.

Lawrow verließ nach Angaben aus Delegationskreisen direkt nach seiner Rede den Sitzungssaal. Er habe sich damit auch der Replik der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) entzogen, hieß es weiter. Baerbock war als amtierende Vorsitzende der G7-Gruppe führender demokratischer Wirtschaftsmächte direkt nach Lawrow als nächste Rednerin vorgesehen. Im Saal saß der Russe zwischen Vertretern aus Saudi-Arabien und Mexiko.

"When do you stop the war?"

Bei der Begrüßung hatten zwei deutsche Journalisten Lawrow Fragen zugerufen. Der ZDF-Korrespondent Andreas Kynast fragte Lawrow: "When do you stop the war?" (deutsch: "Wann beenden Sie den Krieg?"). Kynast wurde im Anschluss nach eigenen Angaben von indonesischen Sicherheitsbeamten aus der Empfangshalle hinausgebracht. Weitere Einschränkungen für ihn gab es demnach zunächst nicht. Ein zweiter deutscher Journalist rief Lawrow die Frage zu: "Why don't you stop the war?" (deutsch: "Warum beenden Sie den Krieg nicht?").

Zum Auftakt des Treffens rief Gastgeberin Retno Marsudi eindringlich zu einem Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine auf. "Unsere Verantwortung ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Und Brücken zu bauen und nicht Mauern", sagte die indonesische Außenministerin. Der weltgrößte Inselstaat hat derzeit den Vorsitz des G20-Staatenbundes.

Indonesien bietet Vermittlung an

Indonesien, das derzeit den G20-Vorsitz hat, hatte nach einer Reise von Präsident Joko Widodo nach Moskau und Kiew Ende Juni angeboten, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Alle Augen sind nun darauf gerichtet, ob es bei dem Treffen auf Bali zu einem Dialog oder einer weiteren Eskalation kommt. Lawrows Anwesenheit galt auch als Test für eine mögliche Teilnahme von Kreml-Chef Wladimir Putin am Mitte November geplanten G20-Gipfel, der ebenfalls auf Bali stattfindet. Mehrere Staaten haben ihre Teilnahme infrage gestellt, sollte er persönlich erscheinen.

Die Staatengruppe müsse diese Chance nutzen, um Vertrauen aufzubauen und "dem Frieden eine Chance zu geben", erklärte Marsudi bei ihrer Eröffnungsrede. Sie rief eindringlich zum Multilateralismus auf, also zur Zusammenarbeit der Staaten bei der Lösung der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Probleme. "Globale Herausforderungen bedürfen globaler Lösungen", erklärte sie.

Ernährungs- und Energiesicherheit

Bei den Sitzungen soll es neben einer Diskussion über eine Stärkung der multilateralen internationalen Konfliktlösung auch um die weltweite Ernährungs- und Energiesicherheit gehen. Jedoch wird erwartet, dass der Krieg einen großen Teil der Beratungen bestimmt.

Baerbock hatte kurz nach ihrem Eintreffen auf Bali am Donnerstagabend gesagt, sie werde in ihrer Rede in Anwesenheit Lawrows "sehr deutliche Worte finden, dass wir diesen Bruch des internationalen Völkerrechts nicht akzeptieren". Das sonst übliche Familienfoto und eine offizielle Abschlusserklärung sollte es wegen Lawrows Anwesenheit am Abend voraussichtlich nicht geben. Jedoch will die indonesische G20-Präsidentschaft am Ende der Beratungen eine Erklärung abgeben.