Es ist ein Tag der großen Emotionen: Drei Tage und Nächte hat die Nation gezählt und gezittert, drei Tage steht das Rennen Spitz auf Knopf – und als am Samstag die Meldung eintrifft, dass die großen TV-Sender Joe Biden zum Präsidenten ausrufen, nachdem er sich die Wahlmänner in Pennsylvania holt, bricht bei den einen Volksfeststimmung aus und bei den anderen eine Welt zusammen.

„Ich habe am ganzen Körper gezittert, als die Nachricht eintraf“, erzählt eine junge Biden-Anhängerin in Narrowsburg bei New York. Mit 290 zu 214 Wahlmännern hat Biden Donald Trump geschlagen, nachdem er sich mit fortlaufender Auszählung der Briefwahlstimmen in immer mehr Bundesstaaten vor Donald Trump geschoben hatte. Die Tränen seien ihr übers Gesicht geronnen.

„Wir hatten vier Jahre Trump durchzustehen – es ist, als seien wir jetzt aus einem Albtraum erwacht“, sagt sie. Die Menschen stürmen auf die Straße, tanzend, jubelnd, Autos fahren hupend vorbei, Champagner fließt. „Endlich werden wir wieder Erwachsene im Weißen Haus haben“, freut sich Buchhändler Aaron Hicklin. In vielen großen Städten der USA herrscht Jubelstimmung, in New York feiern tausende vor dem Times Square.

Doch die andere Hälfte des Landes ist wütend und geschockt. Auch sie stehen in Narrowsburg auf den Straßen: „Wir wollen die Wahrheit!“, skandieren sie. Kein Wunder: Obwohl sogar Trumps Haussender Fox News Bidens Sieg anerkennt und verkündet, weigert sich der Präsident, seine Niederlage anzuerkennen. Den Amtsinhaber erreichte die CNN-Eilmeldung beim Golfen in Virgina. Gleichzeitig gab sein Anwalt Rudy Giuliani in Philadelphia eine Pressekonferenz, wo er angebliche Zeugen präsentierte, die von Betrug sprachen. Doch Beweise fehlen bislang.

Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris, die erste Frau in diesem Amt, feiern gemeinsam, auch Barack Obama, unter dem Biden Vize-Präsident war, gratuliert. „Sie haben uns ein Mandat zum Handeln gegeben,“ sagt Biden. Ein Mandat zur Bewältigung der vielen Krisen. Die Boshaftigkeit müsse wieder aus der Politik verschwinden. Auch wenn ihn nicht alle gewählt hätten, wolle er vor allem eines sein: „Ein Präsident für alle“. Die Aufgaben, die auf ihn warten, sind gewaltig.

1 Machtwechsel und Donald Trump: Noch ist offen, wie weit Trump den Kampf um seinen Verbleib treibt. Mit Störfeuern zu rechnen.

2 Zusammenhalt: Biden steht für einen versöhnlicheren Stil als Trump. Er muss einen Weg finden, die Globalisierungsverlierer, die Trump wählten, zurück ins Boot zu holen.

3 Corona-Krise: Während Trump so tat, als sei das Virus dabei, zu verschwinden, will Joe Biden nun versuchen, das Virus und seine wirtschaftlichen Folgen in Griff zu bekommen.

4 Klima-Krise: Biden versprach, am ersten Tag im Amt ins Paris Klimaabkommen zurückzukehren.

5 Rassismus: Mit einer Polizeireform und besseren wirtschaftlichen Bedingungen für Schwarze will er gegensteuern.

6 Gesundheitsreform: Trump versuchte, Obamas Gesundheitsreform abzudrehen, Biden will sie nun ausbauen.

7 China: Im Umgang mit der neuen Supermacht wird er wohl den harten Kurs von Trump fortsetzen – allerdings weniger impulsiv.

8 Nato und EU: „An Tag eins meiner Präsidentschaft rufe ich unsere Verbündeten in der Nato an und sage ihnen: Wir sind zurück. Ihr könnt euch wieder auf uns verlassen,“ versprach Biden.