Ostösterreichische Seen ohne Wasser, eine steigende Zahl an Hitzetagen ohne nächtliche Abkühlung in den Städten und eine landesweit sinkende Artenvielfalt: Alles nicht nur ein Resultat der globalen Klimakrise, sondern auch durch die hausgemachte Zutat "Bodenversiegelung" ausgelöste Miseren. Ein "Stopp der Zubetonierung Österreichs" wurde daher angesichts des stetigen Verlusts natürlicher Böden am Freitag bei einem Medientermin der Hagelversicherung in Wien gefordert.

Eine Forderung, die Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung, nicht zum ersten Mal stellte, aber angesichts der aktuell herrschenden Rekordhitze gemeinsam mit dem Meteorologen Simon Tschannett in ihrer Dringlichkeit wiederholte. So wies Klimarat-Mitglied Tschannett darauf hin, dass in der Wiener Innenstadt aktuell der 25. Hitzetag im heurigen Jahr gezählt wurde, die 45 Tage vom Rekordjahr 2018 könnten damit 2022 noch einmal übertroffen werden. "Es schaut weiter so aus, dass uns die Tage mit über 30 Grad bleiben werden", sagte Tschannett. Weinberger verwies mit einer Zamg-Grafik auf den Umstand, dass bisher noch nie 25 Hitzetage bis 22. Juli gemessen worden sind – und 1985 wie auch 1990 waren es nur drei, also achtmal so wenig.

Meteorologe Simon Tschanett (links) und Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, bei der Pressekonferenz
Meteorologe Simon Tschanett (links) und Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, bei der Pressekonferenz © ÖHV

Es fehle die Kaltluft, die an Wiesen und Wäldern entsteht und für nächtliche Abkühlung sorgt, "daher soll rund um Städte und Gemeinden nicht weiter versiegelt werden", forderte der auch als Stadtklimatologe tätige Experte Tschannett. Jedoch verschwinden diese Flächen weiter, denn obwohl schon vor 20 Jahren in der Nachhaltigkeitsstrategie ein Zielwert von 2,5 Hektar pro Tag festgelegt worden sei, würde mit 11,5 Hektar weiterhin über die vierfache Fläche an Äcker und Wiesen täglich zubetoniert, monierte Weinberger.

Städte ans neue Klima anpassen

Als Wien in der Gründerzeit vor etwa 100 Jahren langsam zur heutigen Stadt wurde, "da gab es eine Hitzewelle alle zehn bis 20 Jahre, mit vielleicht drei Tagen über 30 Grad, jetzt sind es Dutzende derartiger Tage", erinnerte der Stadtklimatologe an die Herausforderung der Anpassung der Städte an das neue Klima, da brauche man nicht in die Zukunft zu sehen. In der innerstädtischen Betonwüste könnten versiegelte Flächen Temperaturen bis zu 50 Grad erreichen, dunkel asphaltierte Flächen sogar bis zu 70 Grad, warnte Tschannett. Und ohne Kaltluft folgen auf Hitzetage die sogenannten Tropennächte mit über 20 Grad Celsius, "da ist der Nachtschlaf dann nicht mehr erholsam, und man ist nicht mehr gerüstet für die 35 bis 40 Grad am nächsten Tag", berichtete Tschannett über die bekannten Folgen für Stadtbewohnenende ohne Klimaanlage.

Der österreichische Weg der Betonierung habe laut Weinberger jedenfalls dazu geführt, dass das Land in mehreren Bereichen zu einem Negativ-Europameister geworden sei: Mit 1,67 Quadratmetern gibt es die größte Supermarktfläche pro Kopf (1,2 Quadratmeter beträgt der EU-Schnitt), die auf dem mit 15 Metern pro Kopf längsten Straßennetz angefahren werden können – und auf der anderen Seite stehen Immobilien in der Größenordnung der Stadt Wien also einer Größe von 40.000 Hektar leer.

Er wolle aber nicht nur ein Ankläger sein, sagte Weinberger, und nannte vier Möglichkeiten, um das Ausmaß der Versiegelung wieder in den Griff zu bekommen: Ein monetäres Anreizsystem für den Altbestand, einen Schutz der wertvollsten Böden vor der Verbauung wie in der Schweiz sowie eine Verschiebung der Kompetenzen in der Raumordnung und eine mit Rückerstattung der Kommunalsteuer mit Auflagen.

Stopptaste fürs Straßennetz drücken

Und was das dichteste Straßennetz Europas betritt, da gehöre einfach die Stopptaste gedrückt, diese "Mobilität ist nicht zukunftsfähig", sagte Weinberger, wie es auch "das ganze System der Gewinnmaximierung in der Wirtschaft" nicht sei, aus dem die Ausbeutung der Natur hervorgehe: "Die Natur braucht uns nicht, wir brauchen die Natur", schloss Weinberger. Tschannett erinnerte zudem an das seit über 500 Tagen ausständige Klimaschutzgesetz, "es kommt eigentlich bereits zu spät".