Lacin wurde am Sonntagabend von rund 25 Personen am Wiener Flughafen jubelnd begrüßt. Freunde, Kollegen und Familie empfingen sie in der Ankunftshalle mit Plakaten und Blumen. Auch einige Schülerinnen der 57-Jährigen waren gekommen. "Es ist schön, wieder in Wien zu sein. Ich freue mich", sagte die kurdischstämmige Österreicherin in einem ersten Statement am Flughafen. Im Juli war sie während des Urlaubs in der Türkei von der Polizei wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt worden. Am Donnerstag hob ein Gericht im ostanatolischen Tunceli das Ausreiseverbot auf, ohne jedoch das Verfahren zu beenden. Damit drohen Lacin weiterhin bis zu zehn Jahre Haft.

Lacin beklagte nach ihrer Ankunft vor Journalisten, dass sie von den österreichischen Behörden zunächst nicht so unterstützt worden sei "wie ich mir das erwartet habe". Durch die Aktionen des Solidaritätskomitees, der Familie und der Arbeiterkammer "hat sich auch der österreichische Staat bewegt. Sie haben am Schluss noch ihre Aufgabe gemacht", hob die Brigittenauerin etwa die Teilnahme von Botschafter Johannes Wimmer an der Gerichtsverhandlung hervor.

Der türkischen Justiz entziehen möchte sich Lacin offenbar nicht. "Irgendwann werde ich sicher wieder in die Türkei reisen. Vielleicht fliege ich nicht gleich im nächsten Monat, aber ich werde irgendwann zurückkehren", sagte sie. Lacin zeigte sich nämlich überzeugt, dass sich ihre Unschuld letztlich auch der türkischen Justiz erschließen wird. "Auch wenn sie mich zehn Jahre inhaftieren, sie werden zum selben Ergebnis kommen. Ich habe nichts verbrochen."

Bei ihrer Ankunft erinnerte Lacin auch an die immer noch in der Türkei festsitzenden Menschen. "Auf der einen Seite freue ich mich sehr, auf der anderen Seite bin ich bedrückt, weil Hunderte andere noch festsitzen und inhaftiert sind. Ich habe das Glück gehabt, so tolle Menschen hinter mir zu haben, darum ist das so schnell gegangen."

Lacins Tochter Sirma Kapan zeigte sich "überglücklich, dass Mama wieder zuhause ist". Kapan bedankte sich bei allen, die sich mit ihrer Mutter solidarisiert hätten. "Das hat das Aufheben der Ausreisesperre begünstigt." Selma Schacht von der Solidaritätsinitiative "Free Mülkiye" sagte: "Das ist für uns natürlich der Freudentag." Ein "Wermutstropfen" sei aber, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen sei.

Die Wiener Pädagogin war 1984 von der Türkei nach Österreich ausgewandert und arbeitete als Freizeitpädagogin in einer Schule in Wien-Brigittenau. Während ihres Urlaubs wurde sie am 17. Juli 2019 von einer Sondereinheit der türkischen Polizei an ihrem Ferienort in der Türkei aufgesucht und für 24 Stunden festgenommen. Seither durfte sie nicht aus der Türkei ausreisen und saß im Land fest. Der Vorwurf der türkischen Behörden hieß Propaganda für eine "terroristische Organisation".

Konkret vorgeworfen werde ihr etwa die Rede bei einer Veranstaltung zum 1. Mai, in der sie auf die Missstände in der Türkei und die Lage der Kurden eingegangen war. Angeführt in der Anklageschrift werde darüber hinaus, dass sie in Sozialen Medien kurdische Lieder und Neujahrswünsche in kurdischer Sprache gepostet habe. Zudem wird der Verein Demokratisches Zentrum der KurdInnen (DTKM) in Wien, zu dessen Ko-Vorsitzender Lacin im Jahr 2016 gewählt wurde, als verlängerter Arm der Terrororganisation PKK bezeichnet. Lacin soll demnach außerdem an der Besetzung der kenianischen und griechischen Botschaft nach der Festnahme von PKK-Gründer Abdullah Öcalan in Kenia 1999 beteiligt gewesen sein.