Am 17. Juli 2019 war es, als die kurdischstämmige Wienerin Mülkiye Laçin von einer Sondereinheit der türkischen Polizei an ihrem Ferienort aufgesucht und für 24 Stunden festgenommen wurde. Seitdem sitzt die Pädagogin in der Türkei fest – und ab heute wird ihr in der Stadt Tunceli der Prozess gemacht. Die Vorwürfe gegen Laçin sind diffus und politisch aufgeladen.

Max Zirngast, 2019 in der Türkei freigesprochener Aktivist und freier Journalist aus der Steiermark, bestätigt im Interview, dass mittlerweile zumindest eine dünne Anklageschrift existiert: "Auf drei Seiten geht es um ein paar Facebook-Postings und um den daraus abgeleiteten Vorwurf, dass sie angeblich in Wien an einer Vorfeldorganisation der PKK (verbotene kurdische Arbeiterpartei, Anmerkung) federführend beteiligt gewesen sei. Ein Facebook-Posting hatte etwa ein kurdisches Lied zum Inhalt." Die türkischen Behörden sprechen von "Mitgliedschaft bei einer terroristischen Organisation und entsprechender Propaganda" – "als Forderung stehen zehn Jahre Haft im Raum", erläutert Zirngast die Dimension.

Die Türkei steht international unter Beobachtung: Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist für viele Beobachter angezählt – seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 gab es massive Einschränkungen des Rechtsstaats. Und mit der Entsendung von Truppen in das Bürgerkriegsland Libyen zieht man nach der Syrien-Offensive bereits in den nächsten Krieg.

Die seit 1984 in Österreich lebende Laçin engagiere sich für die Kurden, Volk ohne Staat und Zielscheibe des Hasses, bestätigt Zirngast. Nach fundierter Anklage sieht es für ihn keinesfalls aus – Prognosen wagt er indes nicht: "Dass die Anklage inhaltsleer ist, heißt noch nicht, dass sie niedergeschlagen wird. Ich gehe davon aus, dass der Prozess weitergeht. Unklar ist, ob das Ausreiseverbot, und darum geht es, aufgehoben wird."

Zuletzt machte sich auch der Gewerkschaftsbund für die Volksschullehrerin stark: "Freie Meinungsäußerung in der Türkei ist ganz offensichtlich nicht mehr möglich", kritisierte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. "Jetzt geht die türkische Justiz noch einen Schritt weiter und bestraft österreichische Staatsbürger, die sich in Österreich kritisch gegenüber der türkischen Politik äußern."

Zum Verfahrensauftakt reisten Prozessbeobachterinnen an, auch eine Vertretung der Botschaft soll anwesend sein. Das Solidaritätskomitee "Free Mülkiye": "Der Prozess ist eine Farce und zeigt die Willkür der türkischen Behörden gegen Menschen, die sich in der kurdischen Solidaritätsarbeit engagieren." Das Außenamt fordert eine Verfahrenseinstellung.