Im Vorjahr haben in Österreich insgesamt 13.300 Kinder und Jugendliche nicht bei ihren Eltern gelebt, sondern waren bei Pflegeeltern oder in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften und Heimen untergebracht. Die Jugendhilfe-Statistik für 2018 weist diesbezüglich einen nur geringen Rückgang aus.

Die Justiz sieht selbstkritisch Reformbedarf bei den Kindesabnahmen: An einer Reform der Gesetzeslage bei Kindesabnahmen wird seit 2015 gearbeitet. "Vorbehaltlich des künftigen Regierungsprogramms" könne der Prozess Ende 2020 abgeschlossen werden, sagte Justizminister Clemens Jabloner in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Liste JETZT. Das Ziel sei, eigene Regeln zu Obsorge und Kontaktrecht für fremduntergebrachte Kinder zu schaffen.

Bisher unterliegen die Betroffenen dem Recht für Scheidungskinder, das "für fremduntergebrachte Kinder, vor allem, soweit sie bei Pflegeeltern untergebracht sind, in weiten Bereichen nicht passend ist", meinte Jabloner. "Darüber hinaus ist das gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit einer Kindesabnahme derzeit - mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben - stark abhängig vom Engagement und der Erfahrung der einzelnen Richterin bzw. des einzelnen Richters."

Zur besseren Ausgestaltung könnten dann auch verbindliche Verhandlungs- oder Entscheidungsfristen gehören. "Mit einer solchen Struktur soll verhindert werden, dass es monatelange Ungewissheit gibt - einmal aufseiten der Eltern, 'was Sache ist', und zum anderen Mal aufseiten des Kindes, wie lange es bei den (Krisen-)Pflegeltern oder in einer sozialpädagogischen Einrichtung bleibt.

Eine derartige Ungewissheit ist für niemanden gut, am wenigsten für die Kinder", betonte der Justizminister. Kindesabnahmen seien "der größtmögliche Eingriff in die Eltern-Kind-Rechte. Eine möglichst rasche - zumindest vorläufige - gerichtliche Entscheidung ist daher schon allein grundrechtlich geboten, wobei die jeweilige Verfahrensdauer immer vom konkreten Einzelfall abhängt".

In den Reformprozess eingebunden sind neben dem Justizressort die Kinder- und Jugendhilfe, Familiengerichtshilfe, Richter, Rechtsanwälte, die Österreichische Plattform für Alleinerziehende, der Verein Väter ohne Rechte, Kinder- und Jugendanwaltschaften, Pflegeelternvereine und Kinderschutzzentren. "Derzeit ist geplant, die erarbeiteten Vorschläge in einem österreichweiten Modellprojekt zu erproben und wissenschaftlich zu evaluieren", berichtete Jabloner.