Mehr als zwei Jahre nach Beginn des fremdenrechtlichen Verfahrens gegen die deutsche Klimaaktivistin Anja Windl hat ihr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein zweijähriges Aufenthaltsverbot in Österreich erteilt. Ein Bescheid der Leobener Außenstelle des BFA liegt seit vergangener Woche vor, wie der APA Windl selbst und ihr Rechtsanwalt Ralf Niederhammer bestätigten. „Die Argumentation der Behörde entbehrt jeder Grundlage“, sagte der Anwalt am Montag.

Windl sei in Österreich noch nie strafrechtlich verurteilt worden, die Voraussetzung für ein solches Verbot sei aufgrund ihrer langen Aufenthaltsdauer in Österreich jedoch eine „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“, erläuterte Niederhammer. „Man wirft ihr aber vielfach die Aktivitäten der ‚Letzten Generation‘ und ihre Social-Media-Auftritte vor“, kritisierte er. „Inwiefern davon eine derartige Gefährdung ausgehen soll, die ein Aufenthaltsverbot rechtfertigt, ist mir nicht klar“, sagte der Rechtsanwalt. „Das BFA beschuldigt sie sogar, die politischen Verhältnisse in Österreich verändern zu wollen. In Anbetracht, dass sie sich für die Einhaltung der Forderungen des Klimarates einsetzt, ist das einigermaßen kurios.“

Anwalt will Beschwerde einlegen

In dem der APA vorliegenden Bescheid vom vergangenen Donnerstag wird der 28-Jährigen unter anderem eine „führende Rolle“ für das Anwerben neuer Mitglieder zugeschrieben und ihr ein „Schwerpunkt“ im „Bereich der Öffentlichkeitsarbeit“ attestiert. Sie sei zudem mehrmals wegen des Verdachts strafbarer Handlungen „polizeilich in Erscheinung getreten“. Ihre „querulatorische Neigung“ sei dabei jedoch kein Ausdruck von Aktivismus, sondern auf „weitreichende Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung“ ausgerichtet, wie es in dem Schreiben heißt.

Niederhammer kündigte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht an. Damit werde auch die rechtlich vorgesehene vierwöchige Frist zum Verlassen des Landes aufgeschoben.

Windl: „Werde Land nicht freiwillig verlassen“

Windl selbst sprach gegenüber der APA von „einem Versuch, gegen friedlichen Protest vorzugehen“. Es werde ein „beunruhigender Umgang mit Aktivismus normalisiert“. Sie habe seit sieben Jahren ihren „Lebensmittelpunkt in Österreich“, sagte Windl. „Ich werde das Land nicht freiwillig verlassen.“

Das BFA prüft seit März 2023 „eine aufenthaltsbeendende Maßnahme“ gegen sie. Das Innenministerium hatte damals auf den Datenschutz verwiesen. Zum grundsätzlichen Vorgehen bei Aufenthaltsverboten hielt das Ministerium am Montag fest, dass im Zuge des Verfahrens „alle relevanten Informationen gesammelt und die Umstände jedes Einzelfalles genau geprüft“ würden. „Die fremdenrechtliche Beurteilung erfolgt eigenständig und unabhängig von den Strafgerichten“, hieß es weiter. Es handle sich immer um „eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz vor Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“.
Strafverfahren weiter im Gang

Windl lebt seit Herbst 2017 in Klagenfurt. Die bayrische Studentin gilt als eines der Gesichter des im August 2024 aufgelösten österreichischen Ablegers der Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“. Zusammen mit der Gruppe hatte sie in den vergangenen Jahren unter anderem mit Verkehrsblockaden auf Straßen oder Autobahnen gegen die Klimapolitik der Bundesregierung protestiert.

Kritik von Amnesty International, Aktivisten und Juristen

Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ deutete die Entscheidung des BFA am Montag als „mögliche Fortsetzung einer Tendenz, Klimaproteste zu kriminalisieren“. Das Recht auf friedlichen Protest sei ein Menschenrecht und gehöre „geschützt anstatt kriminalisiert“, hieß es gegenüber der APA. „Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir anfangen Menschen zu bestrafen und außer Landes zu verweisen, weil sie sich an Protesten beteiligen, die die Politik oder Behörden nicht haben wollen“, warnte Generalsekretärin Shoura Hashemi. In Österreich dürfe kein Klima der Angst herrschen, „wenn es um Protest geht“.

Entsprechend äußerten sich auch die Mitstreiterinnen und Mitstreiter Windls. In einer gemeinsamen Aussendung berief sich die frühere „Letzte Generation“ auf den derzeitigen UNO-Sonderberichterstatter Michel Forst, der im März 2024 vor einem „zunehmend harten Vorgehen“ gegen Umweltschützerinnen und Umweltschützer gewarnt hatte sowie den Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck. Für ein Aufenthaltsverbot bräuchte es „zunächst einmal eine schwere Straftat (...) und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird“, sagte Obwexer im März 2023 im Ö1-Morgenjournal.

Kritisch zur Entscheidung äußerte sich auch Laila Kriechbaum, Sprecherin von Fridays For Future Austria: „Friedlicher Protest ist eine Grundvoraussetzung in der Demokratie. Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern, statt die Klimakrise umfassend anzupacken, ist nicht nur demokratisch schwerst bedenklich, sondern das eigentliche Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung! Viel ungemütlicher als jeglicher friedliche Protest ist es die Klimakrise einfach passieren zu lassen.“ Man erwarte, dass die Verhältnisse „gerade gerichtet“ würden.

Freude bei FPÖ und ÖVP

Erfreut zeigte sich indessen die FPÖ. Das Aufenthaltsverbot sei „längst überfällig“, meinte der Kärntner FP-Chef Erwin Angerer. Die Aktivistin habe „jahrelang die Behörden genarrt und mit ihren Klebeaktionen unsere Steuerzahler hunderttausende Euro durch Polizeieinsätze gekostet“, so Angerer. Dabei habe die ehemalige ÖVP-Grünen-Bundesregierung die Gruppe rund um die Aktivistin stets mit „Samthandschuhen angegriffen“, hieß es.

ÖVP NÖ-Landesgeschäftsführer Matthias Zauner nannte die Entscheidung einen „guten Tag für alle Leidtragenden“. Anja Windl habe „die arbeitende Bevölkerung jahrelang mit ihren sinnlosen Stör- und Klebeaktionen tyrannisiert und dabei stets nur ein einziges Ziel verfolgt: ihre eigene Bekanntheit zu steigern, sich selbst in den Mittelpunkt zu drängen und zu inszenieren“. Zauner nannte die Entscheidung des BFA eine „gute, richtige und konsequente“, die „hoffentlich das einzige ist, was jetzt und auch in Zukunft pickt!“

„Als Mutter frage ich mich, welches Signal damit an unsere Jugend gesendet wird“

Auch ÖVP-Kärnten-Landesgeschäftsführerin Julia Löschnig findet klare Worte zu diesem Thema: „Zu Jahresbeginn wurde die Fassade der Parteizentrale der ÖVP in Klagenfurt mit Schimpfwörtern beschmiert. Diese widerliche Tat fand im Kontext der laufenden Gespräche zwischen der ÖVP und der FPÖ auf Bundesebene statt. Besonders erschütternd war, dass die Klimaaktivistin und Influencerin Anja Windl sich öffentlich zu dieser Straftat bekannte und in den sozialen Medien für ihre Handlung gefeiert wurde.

„Diese Form des Protestes verärgert mich zutiefst. Als Mutter frage ich mich, welches Signal damit an unsere Jugend gesendet wird. Es ist nicht akzeptabel, Straftaten zu begehen, den Rechtsstaat zu missachten und fremdes Eigentum zu beschädigen, um politische Unzufriedenheit zu äußern. In Anbetracht solcher Taten halte ich das Aufenthaltsverbot von Anja Windl in Österreich für gerechtfertigt.“