Das Land sollte auf den Ausweg aus der Krise zusteuern und steuert stattdessen auf einen Nervenpoker zu, der flirrend alles zum Stillstand bringt, wo grad endlich was in Bewegung war. Dienstag ist D-Day im Parlament. Alles schon einmal dagewesen? Das kreisförmig sich fortbewegende Land. Hab im Leitartikel versucht, die politische Geometrie und Physik am Beispiel des Verhältnisses zwischen Regierungen und Wiener Gratis-Boulevard darzulegen. These: Das System K hat die Großen Koalitionen beendet und damit eine Epoche, aber die schlechten alten Sitten hat er, umgeben von moralisch Ungefestigten, im Gewand des vermeintlich Neuen mitgenommen und mit den selbstzerstörerischen Mitteln der Telekommunikation in eine neue Dimension gehoben. Das radikalisierte Kontinuum.

Es erinnert jetzt ein bissl an den James Dean-Film: Beide, Türkis wie Grün, rasen auf den Abgrund zu, und wer zuletzt aufs Bremspedal steigt, gewinnt. Beide haben, für die Galerie nach innen wie nach außen, Position bezogen. Türkis sagt offen: Nur mit K. Grün sagt halboffen: Nur ohne K. Vor der Galerie bleibt da nicht mehr viel Schnittmenge. Spannend ist, was sich am Wochenende dahinter abspielt. Der Schutzwall, den die alte ÖVP gestern zwei Mal rituell hochgezogen hat, hat vor allem das Ziel, etwas Zeit zu gewinnen. Sebastian Kurz weiß: Die bisherigen Formeln der Selbstverteidigung und der Selbstverantwortung reichen hier nicht mehr. Zu schwer wiegt, was an dokumentierten Vorwürfen auf dem Tisch liegt. Zum ersten Mal hat man bei der Lektüre des Ermittlungsakts den Eindruck, dass dem Wort Sachverhaltsdarstellung auch tatsächlich genüge getan wird. Die Ableitungen sind schlüssig und klingen nicht nach Wunsch und Wille. Es gilt die strafrechtliche Unschuldsvermutung und, vorgelagert, das Prinzip der politischen Verantwortung. Es wird zutreffen, dass der Kanzler nicht selbst Scheinrechnungen ausstellen hat lassen, um sich für parteipolitische Machtzwecke zuerst das Meinungsbild herzurichten und danach die Meinungsbildung. Aber es geschah in seinem Interesse und zu seinem Nutzen.

Was läge im Interesse des Landes? Ein dritter Bruch in vier Jahren? Neuwahlen und lärmender Stillstand können es nicht sein. Mit der ersten Ermittlungscausa, dem interpretatorischen Wirrwarr und der doppelten Verneinung hätte Kurz einen aussichtsreichen Alle-gegen-mich-Opfer-und-Märtyrer-Wahlkampf wagen können - mit dem Vorwurf der parteipolitischen Machteroberung auf Steuerkosten und unter Zuhilfenahme frisierter Umfragen und Berichte kann er es nicht. Nur als Hasard.

Auch ein Anti-Kurz-Bündnis unter Duldung eines erhöhten Herbert Kickl kann niemand wollen und niemand als moralischen Gegenentwurf verkaufen, nicht die SPÖ und schon gar nicht die Grünen. Und die Türkisen können nicht in schrillem Ton vor Kickl warnen und zeitgleich in Oberösterreich mit dessen Partei eine Koalition schmieden. Mehr an Heuchelei geht nicht.

Am besten für das Land wäre es, die Regierung könnte ihre Arbeit, die zuletzt erfrischend substanziell war, fortsetzen. Dazu müsste der Kanzler nicht zurücktreten, er müsste nur bis zur Klärung der schweren Anschuldigungen zur Seite treten und sich befristet von, sagen wir, Karl Nehammer, im Amt vertreten lassen. Das muss nicht zwingend das Karriere-Ende sein. Anders ist, wie es zur Stunde aussieht, die Kanzlerschaft für die ÖVP nicht zu retten.

Wir halten Sie digital am Laufenden und lassen Sie in Live-Zuschaltungen daran teilhaben, wenn einer der Akteure vor die Kameras tritt. Es sind fast so viele wie nach Ibiza.